So unfair!

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Am Nachmittag spielte Callista wieder nicht mit den Kindern, sondern setzte sich an ihren Schreibtisch und schlug zuerst das Lateinbuch auf. Stella hatte ihr auf Nachfrage hin erklärt, dass sie Latein erst seit dem letzten Jahr hatten und hauptsächlich spielerisch angefangen hatten, sodass sie noch nicht allzu weit waren.

Das war praktisch, denn am folgenden Tag stand schon Latein auf dem Stundenplan und Callista hatte tatsächlich keine Ahnung, wie sie bis dahin ein ganzes Jahr aufholen sollte. Hilfreich dabei war jedoch, dass die ersten Wörter leicht zu verstehen waren, wie zum Beispiel fenestra und Fenster.

Andere Wörter ähnelten gewissen Zaubersprüchen, von denen Callista zuminest die Theorie kannte, auch wenn sie sie nicht anwenden konnte.

Als sie sich sicher war, dass sie das meiste konnte, hatte sie sogar noch Zeit, einen Blick in die anderen Bücher zu werfen. Die Funktionsweise von Fernsehern war wirklich interessant. Besonders, dass die Bilder über solch große Strecken übertragen werden konnten. Die Bücher über Psychologie und Politik fand Callista etwas komplizierter und es würde sie wahrscheinlich mehr Zeit kosten, die Themen zu verstehen.

Kurz vor dem Abendessen bat Sarah sie noch einmal in ihr Büro und fragte, wie es in der Schule lief.

Callista erklärte ihr wahrheitsgemäß, dass sie in allen Fächern gut mitkam, dass sie aber bisher noch kein Latein gehabt hatte und sich deshalb noch ein wenig einlesen musste. Das Angebot, Nachhilfe in dem Fach nur nehmen, lehnte sie jedoch entschlossen ab. Sie hatte noch nicht einmal eine Stunde gehabt und würde erst einmal abwarten, ob sie alleine aufholen konnte.

Um weiter zu lesen, ließ Callista das abendliche Fernsehen aus und nahm stattdessen ihr Kampfbuch in die Hand. Schließlich hatte sie am folgenden Tag Kung Fu und wollte nicht, dass das eine ähnliche Katastrophe wurde wie Teakwondo.

Durch den starken Muskelkater machte sie lieber nicht noch einmal die Kraftübungen.

Am nächsten Morgen hatten sie gleich in der ersten Stunde Latein bei einer ziemlich streng aussehenden Lehrerin. Die schien sich kaum um die Namen der Schüler zu kümmern und fragte auch Callista nicht nach ihrem. Dafür begann sie sofort mit der Abfrage: „Du da, Nominativ Plural von ancilla".

„Ancillae", antwortete die Schülerin selbstbewusst. Sie hatte scheinbar die Grammatik gelernt. Callista nicht. Sie hatte zwar das Grobe verstanden, aber zum Lernen war nicht genug Zeit gewesen. Deshalb breitete sich auch ein ganz ungutes Gefühl in ihrer Magengegend aus.

„Du, Akkusativ Singular von dominus".

„Äh, keine Ahnung", murmelte der Junge, der am Tag zuvor in Mathe neben ihr gesessen hatte.

„Solltest du aber haben. Du, beantworte die Frage".

„Dominum", sagte Stella.

So ging es einige Zeit weiter, bis der Blick der Lehrerin auf Callista fiel: „Du, Neue, Ablativ Plural von labor".

„So weit waren wir an meiner alten Schule noch nicht, tut mir leid", entgegnete Callista und versuchte, sich von den Lachern, die darauf folgten, nicht stören zu lassen. Bei dem Jungen vorhin hatte keiner gelacht.

„Ruhe im Klassenraum", keifte die Lehrerin und sagte dann zu Callista: „Okay, aber hol das nach. In zwei Wochen möchte ich, dass auch du das kannst. Nachhilfe ist heute nach der Schule".

Callista nickte, auch wenn sie ganz sicher nicht hingehen würde. Sie konnte sich Latein selbst beibringen. Kung Fu nicht.

Ein anderer Junge beantwortete die ihr gestellte Frage: „Laborum".

Sie machten noch eine Übersetzungsaufgabe, bei der Callista aber das aufgeschlagene Grammatikheft danebenlegen durfte. Man musste sich zwar an die ungewohnte Satzstellung gewöhnen, aber kurze Sätze bekam sie schnell hin.

Niemals genugWo Geschichten leben. Entdecke jetzt