26. Trümmerpfade der Tiefe

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Die Dunkelheit war erdrückend und kalt. Alles war still. Staub und Trümmer umgaben Zelia, Kamura und Taoh, während sie sich mühsam aus den Überresten des Einsturzes befreiten. Ihre Körper waren zerschunden, ihre Seelen erschüttert. Kamura rang nach Luft, jeder Atemzug war eine Qual, als würde seine Kehle von innen heraus brennen. Sprechen war unmöglich.

Zelia blickte zu ihm hinüber, ihre Augen voll Sorge und Erschöpfung, doch ihr Kiefer war vor Entschlossenheit verkrampft. Sie hatte ihren eigenen Körper geopfert, um den Sturz der beiden abzufedern. Keuchend klopfte sie sich den Staub vom Leib, doch als ihre Hand die Rippen berührte, zuckte sie zusammen. Ein blitzartiger Schmerz durchzog ihren Körper. Sie stöhnte auf, doch unterdrückte sofort jede weitere Reaktion. Die Rippe war wohl gebrochen.

»Wir müssen hier raus«, flüsterte sie zähneknirschend und bedeutete Taoh mit einem Nicken, ihr zu folgen. Die Luft war schwer von Staub, und jeder Schritt hallte unheimlich durch die unbekannten Tiefen dieses fremdartigen, rustikal erbauten Tunnelsystems. Ihre Umgebung war in dichte Schatten gehüllt, nur gelegentlich blitzten schwache Lichtstrahlen durch Ritzen in den Wänden. War dies... Myzel?

»Wo sind wir?«, fragte Taoh gedankenlos. »Sind wir noch in Naraka? Oder ist das hier... Xibalba?« Bei diesen Worten lief ihnen allen ein kalter Schauer über den Rücken.

»Was auch immer das hier ist«, flüsterte Zelia, noch immer keuchend. »Es sollte nicht hier sein. Passt auf! Wir wissen absolut nicht, was hier unten lauert!«

Kamura stützend und Taoh an der Hand haltend, blickte Zelia in die beiden möglichen Richtungen. Der Sturz hatte ihr die Orientierung genommen. Doch sie beabsichtigte keinesfalls, den Weg zu nehmen, der eventuell aus Naraka hinausführte.

Sie kannte die grausigen Wahrheiten Xibalbas nur zu gut, wusste, dass nur jene die grausige Realität als Legenden abtaten, die die sicheren Tore der Stadt nie verlassen hatten. Taoh beobachtete ihre Unsicherheit mit wachem Blick. Als sie dies bemerkte, entschied sie sich einfach zu gehen. Weit oben, durch den schmalen Spalt, der ihnen das einzige Licht spendete, hörte sie bereits die Rufe ihrer Verfolger, die Pläne schmiedeten, wie sie die Fährte am besten aufnehmen konnten.

Unter den Trümmern entdeckte Taoh jedoch nach wenigen Schritten ein Büschel weißes Haar, mit Blut und Dreck verklebt. Er hielt einen Moment inne, zeigte auf die Stelle. In einem Satz war Zelia bei ihm, warf die Trümmer nach und nach vom bewegungslosen Körper. Das Gesicht des Jungen war bleich und gezeichnet von Schmerzen. Neben ihm lag der leblose Körper des Mädchens, dessen Name ihnen noch unbekannt war. Sofort überprüfte sie den Puls. Tammuz atmete schwach, stöhnte vor Schmerz. Sie befreite ihn weiter von der Last der Trümmer und überprüfte als nächstes den Puls des Mädchens.

Zu ihrer Überraschung hatte auch sie noch einen schwachen Puls. Für einen Moment triumphierte ihr Gewissen, ihre Befürchtungen Lügen gestraft zu haben. Dass sie sich trotz des Risikos richtig entschieden hatte. Doch dieser kleine Sieg wurde schnell zunichte gemacht, als sie bereits das Herablassen von Seilen in den Spalt vernahm.

»Sie lebt noch!« flüsterte Zelia, während sie sich neben das Mädchen kniete. Kamura, noch taumelnd und kaum in der Lage, geradeaus zu schauen, erwachte bei diesen Worten kurz aus seiner Trance. Doch beim Versuch, sein Augenlicht zu aktivieren, stöhnte er vor Schmerz. Er ächzte etwas heraus, das entfernt wie eine Bekundung seiner Unfähigkeit klang. Seine Stimme war rau und zerschunden, schmerzlich bereits beim bloßen Hören.

Die letzte Attacke hatte ihn völlig ausgebrannt. Er fühlte sich leer, kraftlos, wie ein Schatten seiner selbst.

»Shh! Ruhig! Du hast genug getan! Ohne dich wäre alles vorbei!«, flüsterte sie.

Zelia schloss für einen Moment die Augen, um ihre Sinne zu schärfen. Sie ließ die Dunkelheit der Höhle auf sich wirken, das leise Flüstern der Biolumineszenz an den Wänden. Dann erhob sie ihre Stimme, fest und unerschütterlich.

вσσк σƒ Tαммυz © [🇩🇪]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt