31. Ungleicher Pakt

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In der bleiernen Stille, gaben schwache, aber unaufhörliche Atemzüge ein schwaches Zeichen von Leben.

Kamura öffnete langsam die Augen, schmerzerfüllt, als der fremde Schatten sich ihm näherte. Ihm war, als ob eine Gestalt sich über den schlafenden Tammuz neben ihm beugte – eine unheimliche Silhouette, ein riesiger Pilz, der den Jungen mit gnadenloser Entschlossenheit zu ergreifen versuchte. Ein markerschütternder, dennoch gebrochener Schrei durchbrach die Ruhe, als Kamura sich dazwischenwarf, die Muskeln angespannt, bereit, den Fremden zurückzudrängen.

Der aufgestreckte Fremde trat einen Schritt zurück, doch seine Haltung blieb unerschütterlich. »Ich nehme den Jungen mit«, sprach er mit eisiger Ruhe, während das scharfe Zischen seiner Klinge durch die Gänge hallte. »So... oder so.«

Die Klinge reflektierte Kamuras schwaches Augenlicht, schimmerte im dämmrigen Schein noch bedrohlicher, noch tödlicher.

»Macht keine Dummheiten. Ihr seid verdammt. Euer Schicksal ist besiegelt. Holt euch nicht die Kälte, so holt euch der Ghoul«, sprach der Mann mit auffälliger Nervosität, die Kamura sofort bemerkte. Fast schon wahnsinnig blickte der Fremde sich hektisch um. Taoh, aus dem Schlaf gerissen, erkannte ihn sofort.

»Du...«, murmelte er, weder überrascht noch erstaunt über das schnelle Wiedersehen. »Du bist der Feigling... Deshalb hast du mir geholfen... Du wolltest mir folgen...«, spottete Taoh argwöhnisch.

Kamuras Blick huschte schnell zwischen Taoh und der schimmernden Klinge hin und her. Er verstand nicht. Irritiert lauschte der Mann Kamura, als dieser blutend und mit geschundener Stimme sprach: »Verstehe nicht. Ghoul? Rettung? Folgen?«

Ekel und Irritation blitzten kurz über das Gesicht des Mannes, als er Kamuras Worten lauschte. Kurz darauf blickte er sich wieder nervös um und lauschte in die Stille hinein.

»Wir haben keine Zeit. Der Junge kommt mit mir. Ansonsten beende ich euer Leiden gleich hier und jetzt«, drohte der Fremde.

Kamura durchdrang die Situation sofort. Er würde seine Kymatik hier nicht anwenden können. Er würde eventuell nie wieder Kymatik anwenden, so wie es um seine Stimme stand. Wahrscheinlich waren seine Stimmenbänder gerissen - zumindest fühlte es sich so an.

Ein flüchtiger Blick zu Taoh bestätigte seine Befürchtungen. Nein. Dies war kein Moment des Kämpfens. Hier war niemand, der kämpfen konnte. Dies war die Begegnung mit den absoluten Polaritäten: Leben oder Tod.

»Nimm den Jungen«, murmelte Kamura schließlich. Als hätte ihn etwas gestochen, sprang Taoh plötzlich auf. »Spinnst du, Kamura?«, zischte er außer sich. »Sobald der Kerl weg ist, wird es genau so sein, wie er sagt. Kälte oder Ghoul!«

Kamura musterte Taoh verwirrt. "Ghoul?", wierholte Kamura, als hätte Taoh sich versprochen.

Taoh zögerte einen Moment, während seine Lippen vor Kälte kurz bibberten. "Verstehst du nicht: Die einzige Option, die dieser Feigling uns gibt, ist nicht ob, sondern wie wir sterben!"

Erneut blickte Kamura Taoh perplex an. Was war mit seinem kleinen Bruder in der kurzen Zeit geschehen? Er hatte sich schon wieder gewandelt. Ein neues Gesicht offenbarte sich nun zu dieser schweren Stund. Vielleicht war das ja wirklich alles Taoh. Vielleicht kannte er seinen kleinen Bruder noch nicht. Vielleicht würde er sich Schicht um Schicht - wie eine Zwiebel nach und nach offenbahren. Doch was würde bleiben, wenn jede  Schicht entfernt wurde?

"Kamura!", mahnte Taoh, als er bemerkte, dass sein großer Bruder abschweifte, die Konzentration verlor. 

"Ich würde es begrüßen, nicht zusehen zu müssen, wie dir gewaltvoll durch eine Klinge das Leben aus dem Körper fließt.", antwortete Kamura flüsternd.

вσσк σƒ Tαммυz © [🇩🇪]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt