Die ganze Fahrt über sage ich kein Wort. Ich schaue aus dem Fenster und hoffe erkennen zu können, wo wir sind. Die Ortschaft sieht mir nicht fremd aus. Wir können nicht weit von zuhause sein. Alles kommt mir bekannt vor, als hätte ich es schon einmal gesehen. Zumindest am Anfang der Fahrt, denn je länger wir fahren, desto mehr verändert sich die Ortschaft. Es wird immer steiler, immer sauberer, stiller und ansehnlicher. Protzige Villen, Palmen und riesige Hecken und Tore kommen in Sicht.
Ich schaue zu ihm rüber und lege die Stirn in Falten. Was hat er mit mir vor?
Wird er mich an einen reichen alten Mann verkaufen?
"Schau mich nicht so an."
Er sieht mich nicht an weiß aber wie ich ihn anschaue. Anstatt ihm zu gehorchen, mache ich weiter. Während er fährt, kann er mir wenig antun.
Seine Hände liegen lässig auf dem Lenkrad. Sie sind groß und seine Fingernägel sind sauber. Irgendwie überrascht es mich. Für einen Mann, der solch drecke Arbeit erledigt ist er sehr gepflegt. Seine Haare scheinen frisch geschnitten zu sein, er riecht gut und hat frische Klamotten an. Der SUV, in dem wir sitzen ist luxuriös und ebenso gepflegt. Die Fußmatten sehen neu aus, kein Staub und keine Gegenstände. Es riecht nach Leder und nach ihm.
Als wir durch ein offenes Tor fahren, reiße ich die Augen von ihm und richtige sie auf das Anwesen, auf welches wir zusteuern. Meine Augen weiten sich. Die Auffahrt ist lang. An beiden Seiten der Schotterstraße sind hohe Bäume und wunderschöne Pflanzen. Hortensien, um genau zu sein. Was mich am meisten schockiert sind die bewaffneten Männer in Anzügen, die rechts und links aufgereiht sind. In Abständen von zehn Metern, bewachen sie wer hier rein und raus fährt. Der Weg zu dem robusten, alten Gebäude im griechischen Stil ist lang.
"Wow", rutscht es mir raus, als wir näherkommen. Obwohl mehr bewaffnete Männer vor dem Eingang stehen, kann ich nur den riesigen Springbrunnen betrachten. Wasser spritzt aus den Mündern der kleinen Engel, während wir kurz davor stehen bleiben.
Es scheint die Männer nicht zu interessieren, dass wir hier sind. Sie kennen ihn. Er stellt den Motor ab. Als er aussteigt, bewegt er sich so lässig, dass ich fast glauben könnte das alles gehört ihm.
Vielleicht tut es das auch.
Ich steige ebenfalls aus und bin froh, geduscht zu haben. Es gibt mir ein wenig Selbstvertrauen nicht mit dreckigen Klamotten und stickend an so einem Ort aufzutauchen.
Ohne von ihm herumkommandiert werden zu müssen folge ich ihm. Mittlerweile weiß ich wie das hier läuft.
Er läuft voran, denn er befürchtet nicht, dass ich weglaufen würde. Auch wenn ich es versuchen würde, hätte ich schneller eine Kugel im Kopf, als ich mit der Wimper Zucken könnte.
Wir gehen auf die hohen Doppelflügeltür zu. Ich weiß nicht, was mich erwartet. Es ist bedrückend zu wissen, dass ich ihn nicht fragen kann. Das Einzige, was mich beruhigt ist, dass wir nicht in irgendeiner Gosse sind, wo er mich für ein paar Dollar verkaufen wird. Das hier ist ein anderes Niveau. Eigentlich sollte es mich noch mehr beängstigen, denn wenn er mit großen Leuten zu tun hat, ist das Problem noch größer, als ich dachte. Wenn ich es mit einer großen Organisation zu tun habe werde ich hier nie wieder rauskommen.
Die Türen öffnen sich wie von allein, sobald wir nähertreten. Meine Lippen öffnen sich, doch es kommt kein Ton raus.
Das Innere des Hauses ist um einige Male gewaltiger und atemberaubender als das Äußere. Das Erste, was mir auffällt ist der riesige Kronenleuchter in der Mitte des Eingangs. Direkt darunter ein Tisch mit frischen Blumen in einer antiken Vase. Ich bin überwältigt von der gekurvten Treppe die endlos sein zu scheint. Die Decken sind so hoch, dass die zweite Etage im Himmel sein muss.