Er
Ich nehme zwei Stufen auf einmal, als ich die Treppen zu Pablos Büro hochsteige. Mein Herz rast in meiner Brust, und Gedanken überschlagen sich in meinem Kopf, während ich überlege, was ich ihm sagen soll. So aufgewühlt war ich schon lange nicht mehr, und es muss daran liegen, dass meine Mauern eingebrochen sind. Oder zumindest kurz davor sind.
Nachdem ich eine Grenze überschritten habe, habe ich sie zurück zum Club gebracht. Wir haben nicht viel geredet. Sie war wütend, und gleichzeitig lag so viel Lust in der Luft, dass ich befürchtete, wir würden noch eine Grenze überschreiten, wenn auch nur einer von uns den Mund öffnen würde.
Jetzt empfinde ich alles andere als Lust. Ich bin gefangen in einem Strudel absurder Gedanken, als ich die Tür öffne und ins Büro stürme.
Da er selten sein Büro verlässt, weiß ich, dass er hier ist. Ich könnte schwören, er schläft darin. Aus diesem Grund sitzt er gerade vor mir und schaut mich mit geweiteten Augen und einem neugierigen Blick an. Er scheint überrascht, da ich normalerweise klopfe.
Mein Puls steigt.
Wieso?
Langsam schließe ich die Tür hinter mir, in der Hoffnung, ein wenig runterzukommen. Nichts sollte mich in solch einen Zustand befördern.
„Sohn? Du sagtest mir nicht, dass du noch vorbeischauen würdest", sagt er. Ich nicke einfach nur. „Ja... ich weiß."
Wie soll ich anfangen? Vor allem, wenn ich selbst nicht weiß, was ich will? Ich weiß nicht, was ich hier tue. Dennoch fange ich an, indem ich zu seinem Tisch gehe und mich auf einen der Sessel davor fallen lasse. Ich wippe mit dem Bein, als wäre ich ein ungeduldiges Kind.
„Was ist dein Anliegen?" Er beäugt mich von oben bis unten. Dass er meine Körpersprache wie ein Weltmeister lesen kann, ist mir bewusst. Seine Menschenkenntnis ist nicht vergleichbar mit der eines normalen Bürgers.
Ich fahre mit meinen Händen über mein Gesicht und zwinge mein Bein dazu aufzuhören. Wenn ich ruhig wirke, wird er weniger misstrauisch.
„Summer."
Ein Name.
Tausend Gefühle.
Ich muss aufhören, so schnell zu atmen. Er wird noch denken, dass wirklich etwas mit mir falsch ist.
Das ist es auch.
Er lehnt sich nach vorn und verschränkt die Hände auf dem Tisch, als würde er beten. Sein Blick wird ernst, und es beunruhigt mich. Seine volle Aufmerksamkeit zu haben, macht mich unter anderen Umständen weniger nervös. Bis jetzt habe ich ihm nie meine Meinung über die Art, wie er seine Arbeit erledigt, mitgeteilt. Nie habe ich ihm gesagt, ich würde denken, was er tut, sei nicht richtig. Nie habe ich mich ihm widersetzt oder ihm etwas anderes vorgeschlagen. Bis jetzt.
„Was ist mit ihr?", fragt er, seine Miene und seine Stimme sofort um einiges ernster. Ich frage mich, weshalb er jedes Mal, wenn es um sie geht, so ernst wird. Die anderen Mädchen interessieren ihn nicht. Er weiß nichts über sie, überlässt ihr Schicksal komplett mir und würde es nicht einmal mitbekommen, wenn eine von ihnen umkommen würde. Aber bei Summer ist es ganz anders.
„Nichts. Ich hatte nur diesen Gedanken." Ich lehne mich zurück und schaue ihm in die Augen. „Ich finde, sie passt nicht in den Club." Das ist nicht einmal eine Lüge. „Wir haben genug Stripperinnen, und sie könnte etwas anderes für uns machen. Etwas Einfacheres. Sie könnte wieder an meiner Seite arbeiten oder sie könnte auch gar nichts tun. Ich meine, ich verstehe sowieso nicht–"
Verwirrt und überrascht schüttelt er schnell den Kopf und hebt die Hände, um mich zu unterbrechen. Voller Besorgnis schaut er mich an.
„Moment mal. Hast du letzten Mittag überhaupt geschlafen?", fragt er, als wäre ich ein durchgedrehter Irrer, der ihm gegenübersitzt. Es ist ein wenig amüsant, dass er mich fragt, ob ich letzten Mittag geschlafen habe, da normale Menschen nachts schlafen. Wir arbeiten nachts und schlafen mittags. Wir leben in der Dunkelheit. Ohne jegliches Tageslicht und Vogelgezwitscher.