Dreitausend Dollar

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Sein Gesicht ist das erste, was ich sehe als ich aufwache. Ich liege auf meiner rechten und er auf seiner linken Seite. Wenn er nicht schlafen würde, hätten wir wahrscheinlich Augenkontakt. Meine Seele verlässt kurzzeitig meinen Körper. Bei dem Anblick rückt die Realität näher. Bei dem Gedanken daran, wie ich mich letzte Nacht verhalten habe steigt mir Hitze in die Wangen. Wie eine Abhängige habe ich an ihm gehangen und Dinge gesagt, die ich jetzt niemals sagen würde. Nicht einmal wenn er mich erneut mit seiner Waffe bedrohen würde.

Mit beiden Händen verdecke ich mein Gesicht und hoffe, dass es zwischen uns nicht unangenehm wird.

Es ist schon wieder dunkel. Vielleicht war es noch nicht einmal Tag. Wie kann man so leben? In ständiger Dunkelheit und ohne die Wärme der Sonne? Ich vermisse die warmen Strahlen, die meine Haut und meine Knochen gewärmt haben. Ich vermisse den Sommer, Eis Creme in der Sonne und ein Picknick bei tollem Wetter.

Doch als ich sehe, wie er mit gerunzelter Stirn schläft vermisse ich plötzlich gar nichts mehr und fühle mich in der Dunkelheit viel wohler.

Er trägt immer noch seine Klamotten und Schuhe. Er muss eingeschlafen sein. Ich bin mir sicher, dass er sonst niemals hiergeblieben wäre.

Erst jetzt fällt mir wieder ein, dass ich fast nackt bin. Ich ziehe die Decke weiter hoch und schaue ihn an. Seine Haare sind zerzaust. Er sieht müde und erschöpft aus. Als hätte er überhaupt nicht geschlafen.

Ich schiebe eine Hand unter der Decke raus und berühre mit meinem Zeigefinger seinen Arm. Sogar mit dieser kleinen Berührung kann ich seine Muskeln spüren. Ich werde rot. Mein Schamgefühl ist zurück. Das ist ein gutes Zeichen.

Auf einmal Zucker er zusammen und atmet tief aus, als hätte er im Schlaf die Luft angehalten. Hat er schlecht geträumt?

"Scheiße", sagt er. Das erste Wort was ihm heute über die Lippen kommt. Er reibt sich die Augen und schaut mich an. Ich habe Angst ihn etwas zu fragen oder mit ihm zu reden, denn ich habe Angst vor seiner Reaktion und dem, was gestern Nacht passiert ist. Wenn er mich auslacht oder mich wieder schlecht behandelt werde ich innerlich sterben.

Obwohl er kaum die Augen aufhalten kann, fragt er: "Geht es dir besser?"

Innerlich hoffe ich, dass ich gleich aufstehen kann, ohne dass er mich fast nackt sieht. Als ich mich gestern neben ihm umgezogen habe, war es mir egal, aber heute ist es das nicht. Heute fühle ich mich entblößt.

Außerdem erleichtert es mich, dass er fragt. Er hat etwas Verschlafenes und Ruhiges auf sich, dass mich besser fühlen lässt.

Ich nicke. "Mir ist nur etwas kalt."

Er schaut mich fast grimmig an und legt eine Hand auf meine Stirn. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Sogar die kleinste Berührung von ihm lässt mich erschauern.

"Du bist warm." Langsam zieht er seine Hand weg.

Ich habe mein Zeitgefühl verloren. Es ist gerade mal die dritte oder vierte Nacht und wir haben schon so viel zusammen erlebt. Er hat nicht gelogen, als er gesagt hat, dass es keine Zeit zu vergeuden gibt.

Mein Kopf tut weh und ich bin genauso müde wie er aussieht. Am liebsten würde ich im Bett bleiben. Meine Knochen fühlen sich kaputt und schwer an.

Er setzt sich auf und lehnt den Rücken gegen das Kopfteil des Bettes, welches wirklich gemütlich ist. Viel besser als die alte, dreckige Matratze.

"Zieh dir heute etwas Warmes und Gemütliches an. Wir haben nicht viel zu erledigen."

Ich atme erleichtert aus. In dieser Lage bin ich nicht bereit etwas für ihn zu erledigen. Ich bin antriebslos und fertig mit allem. Ich brauche Zeit, um mich zu sammeln. Es braucht keine lange Überlegung, um zu verstehen, wieso es mir so geht.

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