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Aylana

Die folgenden Tage waren hart.

Zwischen all den Trainingseinheiten blieb mir gerade mal eine Verschnaufpause von 5 Minuten.

Xenja hatte es sich zur Aufgabe gemacht meine Fähigkeiten zu trainieren und zu verbessern. Neben der Praxis musste ich ebenfalls viel theoretisches erlernen. Wie ich mit meiner Kraft umgehen musste, wie ich nicht Überreagieren und alles in die Luft sprengen durfte, wie ich meine Kraft erweitern, entziehen und absorbieren konnte und so weiter.

Mein Gehirn drohte bald zu explodieren und mein Innerstes wurde zeitgleich gestresster, da ich meine Kraft häufiger anwendete als sonst.

Und hier kam Nolan ins Spiel.

Wenn er mir nicht gerade noch einen großen Vorrat aus Xenjas Bibliothek auf den Tisch stellte, war er großzügig genug mich ab und an hinauszuschmuggeln, um mir eine Pause zu erlauben.
Ohne die würde ich vermutlich auf Dauer durchdrehen.

Jetzt gerade sehnte ich mich nach solch einer Pause, allerdings hatte Xenja andere Pläne. „Greif mich an“, forderte sie mich zum gefühlt dreihundertsten Mal auf und ich tat was sie befahl.

Angestrengt kratzte ich meine Energie zusammen und zog die Finger der rechten Hand zusammen. Mein Innerstes quälte sich einen halbwegs anständigen Angriff abzufeuern, aber die Schockwelle erreichte gerade mal den Tisch, der 3 Meter entfernt stand.
Von Xenja meilenweit entfernt.

Diese klatschte in die Hände: „Komm schon Aylana. Nur noch zwei Durchgänge. Es muss etwas bei mir ankommen“.

Ich wank zu einem Stuhl und setzte mich auf diesen. Mit angewinkelten Beinen schüttelte ich den Kopf: „Ich kann nicht mehr“.

Hinter mir ging die Flügeltür zum Trainingsraum auf. „Okay. Ich gebe dir ein wenig Zeit“, verkündete sie seufzend und verließ den Raum. Die Tür fiel leise ins Schloss und jemand setzte sich neben mich auf einen weiteren Stuhl.

„Alles okay ?“.
Ich blickte auf, sah in Nolans besorgtes Gesicht und murmelte: „Sicher“.
„Zeit für die ersehnte Pause“, verkündete er munter und zog mich vom Stuhl.

Er nahm mich an die Hand und schwamm voraus aus dem Trainingsraum.

Die Zeit unter Wasser ohne Flosse war anstrengender denn je, aber sie wollte einfach nicht wieder auftauchen, was Marin dazu veranlasste an mir zu experimentieren.

Calevs Aufgabe war es mich zum Essen zu zwingen und Zoraya war nur ab und zu da, aber auch nur, weil sie sich für meinen Fall interessierte. Davon abhalten konnte ich sie sowieso nicht, aber ich war ihr zugleich dankbar für die Träne, die sie aufgetrieben und mir in einem Reagenzglas in die Hand gedrückt hatte.

Nolan drückte mich in einen Raum hinein, welchen er nach längerem Schwimmens gefunden hatte. Hier war es abgedunkelt, nur einzelne Lämpchen erleuchteten gerade noch so den Raum mit schwachem Licht.

Als sich meine Augen an die Dämmerung gewöhnt hatten sah ich mich um.
Wir waren in der verbotenen Abteilung der Bibliothek.

Ich drehte mich zu Nolan um und jammerte: „Ich kann jetzt keine Bücher mehr lesen Nolan“. Dieser lachte: „Das kannst du nachher wieder. Komm mit, ich will dir etwas zeigen“.

Wieder zog er mich hinter sich her und bog nach einigen Regalen mehrmals rechts ab bis wir an einer Tür ankamen. Diese öffnete er mit einer Schlüsselkarte, die er zuvor aus seiner Schuppentasche gezogen hatte. „Das bleibt unser Geheimnis“, zwinkerte er und durchquerte den Raum. Hinter mir fiel die Tür zu und ich starrte fasziniert in den Raum, der sich vor mir erstreckte.

Unzählige Pflanzen wuchsen und gedeihten hier. Meine Laune stieg augenblicklich ins Positive und begeistert drehte sich mein Innerstes um die eigene Achse vor positiver Energie.

Abwartend beobachtete mich Nolan und grinste, als ich zu ihm sah: „Wo sind wir hier ? Ist das real ?“. Er nickte: „Das hier ist ein realer Garten, er war jahrelang ein geheimes Forschungsprojekt und pflegt sich seit der Stilllegung selbst“.

Fasziniert legte ich meine Hände auf einen Ast eines gedeihenden Baumes.
Ein Apfelbaum.
Diese Exemplare gab es seit der Ausrottung der Erde nicht mehr.

Ich schloss meine Augen und genoss jede Ader der Blätter dieses Baumes.
Er erzählte viel von seinem Lebenslauf. Zuvor als junger Sprössling auf der Erde gewesen, nun seit Jahrhunderten hier und in friedlicher Gemeinschaft mit den anderen.

Als ich hinter mich blickte, sah ich Nolan, der mich lächelnd beobachtete. Auf meine Lippen stahl sich ein glückliches Grinsen welches ihn schließlich in Bewegung versetzte.

Ich drehte mich wieder zum Apfelbaum, als sich Nolans Arme um meinen Bauch schlangen und mich an ihn zogen. Meine Fingerspitzen kribbelten wie ein Feuerwerkskörper und ich versuchte sie zu bändigen. Sein Kopf legte sich auf meine Schulter und er sprach leise: „Fühlst du dich nun besser ?“. Ich nickte und befahl meinem Körper nicht so anfällig auf seine Berührungen zu sein.

Wirklich geklärt war unsere Kusssache nicht, im Gegenteil, wir hatten sie gänzlich umgangen und verschwiegen, was es nicht besser machte.

Ich ließ vollständig von dem Baum ab und schloss die Augen, um das Gefühl der Geborgenheit so lange wie möglich noch zu speichern. Irgendwann spürte ich, wie sich sein Kopf erhob und er langsam von mir abließ. „Wir sollten bald zurück“, warnte er und schwamm voraus.

Leise seufzend folgte ich ihm bis zu einer Sitzgelegenheit vor einem deckenhohen Bücherregal. Auf diese ließen wir uns fallen und es dauerte nicht lang, da berührte Nolans Hand meine.

Ich verstand ihn nicht.

Erst küsste er mich, dann stieß er mich von sich und nun näherte er sich wieder an wie ein Bumerang.

Seine Hand zuckte und er zog sie blitzschnell weg. Wir sahen uns zeitgleich an und er rieb seine Handinnenfläche: „Schon verstanden, Abstand“. Verwirrt starrte ich meine Hände an. Ich dachte ich hatte endlich gelernt meine Kraft zu beherrschen.

„Tut mir Leid“, murmelte ich leise und spielte mit meinen Fingern. Schon fingen meine Fingerspitzen an Funken zu sprühen und über uns entstand ein Lichtball. Geschockt starrte ich diesen an, so etwas habe ich bisher noch nie geschafft.

Auch Nolan schien neugierig zu sein, denn er nahm sich doch die Erlaubnis und steuerte mit meinen Händen den Ball. „Unglaublich“, sprach ich unsere Gedanken aus und er nickte. Langsam verblasste das Licht und der Ball löste sich in Luft auf. „Ich glaube, du hast dein Gleichgewicht gefunden“.

Revival of SocietyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt