Aylana
Als ich meinen müden Blick über die tosenden Wellen, die unruhig und mit gewaltiger Kraft gegen die Palastmauern schlugen, brauchte ich einige Sekunden, um alle Eindrücke um uns herum aufzunehmen. Die Anstrengungen der letzten Tage trafen mich tiefer als ich zugeben wollte.
An meine linke Hand klammerte sich mein kleiner Bruder, der sich zwar taff gab, innerlich jedoch nur ein ängstlicher kleiner Junge war. Das hatten wir gemeinsam, wir würden unsere Schwächen nie zugeben.
Das Podest, auf welchem wir standen, erstreckte sich wie eine Art Landeplatz vor dem Anwesen der Familie Collister, der private Rückzugsort auf ihrem eigenen Planeten Surtur. Um uns herum war es dunkel, fast schon zu dunkel, und hätte Nolan nicht Marley rechtzeitig vor dem Abgrund bewahrt, wäre er sicherlich in den tosenden Wellen ertrunken, da man kaum die Hand vor Augen sehen konnte.
Obwohl es meinen Berechnungen zufolge nach unserem raschen Aufbruch bei Anbruch des Tages mittlerweile bereits Mittags sein sollte, ging hier keine Sonne auf. Falls dieser Planet überhaupt eine besaß, was die wütende See um uns herum erklären würde.
Der Erdkern hatte kein Gegengewicht.Ich kniff meine Augen zusammen, als der Wind einen Schwall Wasser in mein Gesicht peitschte. Meine Kleidung sog sich zugleich mit Wasser voll, ebenso die Kleidung meiner Mitreisenden. „Wir müssen uns beeilen", rief Nolan, der vorausgegangen war und sich nun umdrehte und versicherte, dass er uns nicht verloren hatte.
Ich klammerte mich an den Schultern von Marley fest, um nicht von dem Wind weggeweht zu werden und ihn zeitgleich schützen zu können. In kleinen Trippelschritten gelang es uns bis an die Mauern vorzudringen. Diese waren meterhoch und mit einem zusätzlichen Elektrozaun gesichert. Darüber war also keine Option, außen herum auch nicht wie mir scheint. Zumindest wäre die Familie gewiss nicht so naiv, dass sie ein Loch in den Mauern nicht bemerken könnten.
Jedoch wurde ich eines besseren belehrt.
Nolan war mittlerweile still und flink wie ein Ninja auf die spitzen Felsen geklettert, welche sich um die künstlich geschaffene Insel entlangreihten. Er blickte für einen kurzen Moment nach unten, dann zu uns und streckte die Hand aus. Ich schob Marley vor und dieser sah mich zweifelnd an. Ich nickte ihm zu und er atmete tief ein und aus, als er Nolans Hand nahm und ihm nachkletterte.
Ich tat es ihnen gleich und zu dritt kletterten wir mit allen vieren über die glitschigen, mit Moos bedeckten Steine. Nach einigen qualvollen Minuten, die dennoch die größte Achtsamkeit verlangten, stoppten wir, Nolan öffnete eine geheime Tür und ein dunkler Gang erstreckte sich vor uns. Schnell war er hineingeklettert und gemeinsam halfen wir Marley hinauf. Und obwohl er für den Abstand zu klein war, schaffte er es und ließ sich auf den Boden in dem Gang fallen. Überlegend sah ich auf die Steine und überlegte, wie ich am besten zu ihnen kommen sollte. Ich trat rechts von mir auf einen erhöhten Stein und stützte mich darauf ab. Nolan streckte seine Hand nach mir aus und ich schaffte es sie gerade so zu ergreifen. Ich atmete bereits unregelmäßig durch die Anstrengung und stieß mich auf den Füßen nach kurzer Zögerung ab.
Während des Sprungs, der nur einen Bruchteil einer Sekunde dauerte, hielt ich den Atem an. Ich fühlte den kurzen Moment von Schwerelosigkeit und dachte ich wäre zu weit weg. Doch Nolans Hände hatten nach meinen Armen gegriffen und mich in den Gang hineingezogen, noch bevor ich fallen konnte. Ich atmete hörbar aus und bemerkte, wie mich Nolan nach einigen Sekunden immer noch an meinen Unterarmen festhielt.
Ich blickte zu ihm auf und versicherte ihm mit einem sanften Lächeln, dass es mir gut ging. Er nickte, löste seine Hände von mir und ging voraus. Ich nahm Marleys Hand wieder in meine und zu dritt gingen wir weiter in die Höhle des Löwen.

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Revival of Society
Science FictionWir schreiben das Jahr 3430. Die Menschen bewohnten den Planeten Erde bis zur Eskalation im September 2030. Ein Reaktorunfall verursachte das Ende der Welt und die Bewohner waren gezwungen ihren verseuchten Planeten zu verlassen. Das Komitee besch...