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Aylana

Verwirrt über Nolans spontane Einsatzbereitschaft stimmte ich seinem Vorschlag zu und sah aus dem Fenster, um die vorbeiziehende Galaxie zu beobachten.

Einzelne Krater stießen ab und zu gegeneinander und beförderten sich so an einen anderen Punkt. Einzelne glühende Sterne schossen an uns vorbei und Nolan lenkte das Gefährt mit ruhiger Hand sanft durch den Strom aus Gestein und Meteoriten. Filamente oder auch Bänder, bestehend aus Staub und Gas, umgeben feine, ziselierte und schwebende Objekte, die Wissenschaftler als erblühende Galaxie betiteln würden. Die hellste von ihnen, mit dem Namen NGC 4696, machte seinen Nachbarn ordentlich Konkurrenz.

Fasziniert begutachtete ich das Szenario bis Calev sich räusperte: „Man darf nicht zu lange in die Strahlen schauen. Soll schädlich sein“. Ich wand rasch meinen Blick ab und blickte auf meine Tasche, die nach wie vor um meinen Körper hing. Kleine schwarze Punkte flackerten für einige Sekunden auf und ich blinzelte sie angestrengt weg, damit sie verschwanden.

Nolan setzte nach geraumer Zeit und vielen Beobachtungen später zur Landung an und ich sah neugierig aus dem Fenster. Meine Augen weiteten sich schockiert: „Ist das…“. Calev ergänzte meine Frage sprachlos: „Wasser ?“.

Nolan nickte: „Nereid ist ein Wasserplanet. Oberhalb des Meeresspiegels wird man nicht viel finden. Das Besondere spielt sich unter Wasser ab“. „Dort unten schwimmen nur Fische“, meckerte Calev und schloss seine Augen als er gähnte. Auch mich überrollte die Müdigkeit und ich konnte mir ein Gähnen nicht unterdrücken.

„Machen wir eine Pause“, murmelte Nolan eher zu sich selbst und suchte einen geeigneten Landeplatz, den er relativ zügig auch fand. Auf einer kleinen Insel mit drei Palmen landete er und rüttelte dann an Calev, damit er uns nicht wegschlief. „Nur 5 Minuten“, nuschelte dieser und drehte sich weg. Nolan fuhr seufzend dessen Sitz nach hinten und ich zog meine Beine hoch auf den Nebensitz, um nicht eingequetscht zu werden.

Das gleiche wiederholte er mit seinem eigenen Sitz und sah sich dann nach seinem Rucksack um, den er von Calev bekommen hatte. „Für eine Nacht wird das schon gehen“, behauptete er optimistisch und holte zwei Decken heraus. Eine legte er um Calev und die andere reichte er mir.

Ich runzelte daraufhin meine Stirn: „Und was ist mit dir ?“. Er schmiss die Decke auf meinen Schoß und zuckte mit den Schultern: „Wird schon gehen“. Ich schüttelte vehement den Kopf: „Nein, nimm du die Decke. Ich habe noch eine Jacke“. Er protestierte: „Ich werde schon eine Nacht überleben. Es gibt zur Not die Heizung oder ich kuschele mich im Ernstfall zu Calev dazu“.

Ich grinste als er seine Überlegung andeutete und die Decke minimal hochhob. Seufzend entfaltete ich die Decke, die er mir gereicht hatte: „Ich habe jetzt schon ein schlechtes Gewissen“. Er ignorierte meinen klagenden Tonfall und drehte sich um: „Schlaf jetzt besser Gänseblümchen. Morgen liegt ein langer Tag vor uns“. Mein Kopf lehnte sich an den Sitz und ich gähnte leise. Meine Augen schlossen sich von allein und nach kurzer Zeit driftete ich in meine Traumwelt ab.

Ein scheußliches Kratzen ließ mich bald wieder erwachen. Als ich mit halb geöffneten Augen durch die Gegend blickte hörte das ursprüngliche Kratzen auf. Mein Umfeld verschärfte sich nach und nach und ich setzte mich nach kurzer Besinnungszeit auf. Calev schnarchte unter seiner Decke fröhlich vor sich hin und Nolan lag zusammengerollt auf seinem heruntergeklappten Sitz. Seine Gesichtszüge wiesen pure Entspannung und Gelassenheit auf und einzelne Strähnen lösten sich aus seiner Frisur vom Vortag.

Es war noch dunkel und ich sah nach draußen. Die Palmenblätter wogen in der sanften Brise umher und da ich sowieso schon wach war könnte ich mich doch ein wenig mit ihnen unterhalten. Vorausgesetzt sie sind hier ebenso freundlich wie auf den anderen Planeten auf denen ich vorher bereits gewesen war.

Ich strampelte mir die Decke von den Füßen und legte sie kurzerhand über Nolans ruhenden Körper, da er nach kurzer Feststellung kälter als erwartet war. Danach öffnete ich leise die Tür des Ratos und stieg aus. Die Tür lehnte ich nur an um kein lautes Geräusch zu machen.

Mit langsamen Schritten ging ich zu einer Palme in der Nähe und lauschte dem knirschenden Sand. Das Meer schwappte ruhig an das Ufer und zog sich wieder zurück. Bei der Palme angekommen setzte ich mich unter sie und lehnte mich müde an ihrem Rumpf an. Sie sagte nichts dazu, aber ließ mich gewähren. Verwirrt von ihrem Nichtstun streckte ich mich kurz, um die Müdigkeit aus meinen Knochen zu bekommen. Ich hatte vermutlich nicht lange geschlafen.

Meine Gedanken drehten sich um das verschlossene Tagebuch, welches mir dieses Abenteuer überhaupt erst beschert hatte.
Was meine Vorfahrin sich wohl dabei gedacht hatte ?
Vielleicht war es auch gar nicht von ihr, sondern von wem Fremdes ?
Aber warum war das Tagebuch verschlossen ?
Durfte es nicht in die falschen Hände gelangen ?
War es bereits in falschen Händen ?

Ein Räuspern ließ mich erschrocken zusammenzucken. Ich blickte in die Richtung des Auslösers und sah eine abgedunkelte Silhouette auf mich zukommen. Sie entpuppte sich als Nolan, welcher die Decke fröstelnd um seinen Körper geklammert hielt und mich ungläubig ansah. „Was machst du hier ?“.

Zögernd blieb er zwei Meter vor mir stehen, als hätte er Angst ich würde ihm die Pest an den Hals hexen. Also klopfte ich als Einladung neben mich auf den Sand und er ging ihr nach. „Ich kann nicht schlafen“. Er setzte sich neben mich und bat mir die Hälfte der Decke an. Mit einem matten Lächeln bedankte ich mich bei ihm, als er die Decke ohne Zustimmung meinerseits um meine Schulter legte.

„Was bedrückt dich ?“, fragte er und rückte näher, um die Lücke zu schließen, die zwischen uns bestand. Ich klammerte mich wie er an eine Ecke der Decke: „Viel zu viel“. „Dann erzähl mir davon“, bat er und ich verneinte. „Dir sollte ich theoretisch am wenigsten davon erzählen“.

Er schien die Anspielung auf seine Position in dieser Gesellschaft zu begreifen und stieß mich neckend zur Seite. „Ich werde dich schon nicht verpetzen. Wir sind schließlich keine 5 mehr“.

Ich verdrehte die Augen und scharrte unruhig mit meinen Füßen im Sand. Unsicher sah ich nach einigen Minuten in sein Gesicht: „Ich mache mir Sorgen. Um das Ganze hier. Was ist, wenn das Tagebuch am Ende ein Reinfall ist und wir umsonst zig Regeln missachtet haben ?“.

Seine Miene blieb neutral: „Ich wurde heute beinahe von einer Venus verspeist und du machst dir Sorgen um Regelbrechungen. Ausgerechnet du“. Empört sah ich ihn an: „Du bist keinen Deut besser Nolan Collister“.

„Der optimistische Vorteil liegt darin, dass ich dir weiterhin helfen werde gegen Regeln zu verstoßen“.

Revival of SocietyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt