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Aylana

Lange noch hielt ich Calevs Hand bis er eingeschlafen war. Weil ich keine Anzeichen für Müdigkeit besaß, beschloss ich wieder nach draußen zu sitzen. Meine eingeschlafenen Glieder kribbelten, als ich die Wagentür hinter mir anlehnte und barfuß durch den Sand lief, um meine Beine wieder zu durchbluten. Als das Kribbeln nachließ entdeckte ich Nolan nach wie vor an der Palme sitzen, an der ich vorhin saß und er sich zu mir gesetzt hatte. Eine erkennbare Wiederholung.

Schweigend ließ ich mich neben ihn fallen und winkelte meine Beine an. Er registrierte mich zwar, sagte aber nichts dazu. „Wo hast du deinen Freund gelassen ?“. Ich blickte zu ihm: „Calev ist wieder eingeschlafen“. Nolan nickte nur und rieb seine Handinnenfläche gegen seine Jeans.

Langsam aber sicher fiel mir der Konkurrenzkampf zwischen beiden auf. Egal was ich tat, entweder ist einer gereizt oder feiert seinen Vorsprung. „Kann ich dich mal etwas fragen ?“, widmete er sich mir und blickte mich mit einem undefinierbaren Blick an. Ich zuckte mit den Schultern und versuche derweil sein Befinden zu entschlüsseln.

Er holte hörbar Luft: „Hattest du jemals einen Freund ?“. Ich nickte unsicher, wie kam er jetzt auf diese Richtung ? „Hatte Calev etwas gegen ihn ?“. Ich merkte wie er sich zu mir lehnte. „Er kannte ihn nicht“. „Wieso ?“. „Du stellst ziemlich viele Fragen“, wich ich aus. Er presste enttäuscht seine Lippen aufeinander: „Tut mir leid“.

Ich seufzte und malte kleine Kreise in den Sand. Es war still und ich hörte die sanfte Briese und unser rhythmisches Atmen. „Er ist im Komitee“, murmelte ich leise und ließ das Gesagte verklingen. „Als Kinder waren wir befreundet, aber je älter wir wurden desto mehr hat er diese Regierung gutgeheißen. Er wollte wie sie sein, ein einflussreicher Machthaber. Dabei wusste er gar nicht, wie sehr er sich blenden ließ“. Nolan schwieg und ich änderte meine Malrichtung, um jetzt Dreiecke zu fabrizieren.

Ich lachte: „Irgendwie erinnerst du mich ein bisschen an ihn. Er hat sich nie an Regeln und Verbote gehalten und wollte immer irgendein großes Abenteuer erleben. Im Grunde ist er ganz nett, hilfsbereit, verantwortungsbewusst und süß, aber meistens ließ er seine arrogante Seite raushängen“.

Nolan grinste: „Du findest mich süß ?“. Sein Grinsen steckte mich an: „Unglaublich, dass du nur das verstanden hast. Du hörst also nur das, was du auch hören willst“. Er lehnte sich lachend mit seinem Oberkörper nach hinten und stemmte seine Hände links und rechts neben sich ab. Dabei rutschten seine Finger an meine, welche regungslos im Sand lagen. „Ein Mann tut das, was er für richtig hält“, erklärte er sich und ich sah schmunzelnd zu ihm.

Ein zartes Lächeln prang auf seinen Lippen und seine Augen strahlten Entspanntheit aus. Ich könnte ihn ewig weiter so ansehen, aber er musste mal wieder den Moment zerstören: „Du starrst. Das kann meinem Rato Konkurrenz bereiten“. Grinsend schüttelte ich meinen Kopf und sah zu unseren Händen, die er nebenbei ineinander gehakt hatte.

Wie betreten betrachtete ich das Geschehnis und Nolan schmunzelte: „Würde ich nicht gerade erfahren haben, dass du bereits einen Freund hattest würde ich behaupten, dass du ziemlich schüchtern bist“. Empört stemmte ich meine Hände in die Seiten: „Ich und schüchtern ist ein falscher Zusammenhang“.

„Beweis es mir“. Einladend hob er mir seine Hand hin und ich ergriff sie ohne wenn und aber. Überlegen sah ich ihn an und er grinste: „Wenn du denkst, dass das Beweis genug war irrst du dich“. Ich hob eine Augenbraue an, als er mich zu sich zog und ich an seine Schulter stieß. „Setz dich“, er deutete auf seinen Schoß.

Schockiert sah ich ihn an, er verharmloste das Ganze: „Ich habe dich lediglich dazu aufgefordert dich hinzusetzen. Wo ist dir überlassen“. Ich musste einen kühlen Kopf bewahren. Setzte ich mich vor ihn war ich ein Feigling, setzte ich mich auf ihn könnte uns Calev erwischen und das falsch interpretieren. Ich saß in meinem ganzen Leben nur auf dem Schoß meines Vaters und das selbst nur als kleines Kind. Wie banal sich dann auf den Schoß eines Jungen zu setzen, den ich seit kurzem kenne. Besagter grinste mich herausfordernd an. Er wartete sicher auf meinen Rückzieher und das konnte ich meinem Ehrgeiz nicht antun.

Ich kratzte also meinen Mut zusammen, verbannte die vernünftige Stimme in meinen Hinterkopf und schwang mein Bein über ihn, um mich anschließend auf seinen Oberschenkeln niederzulassen. Sein Grinsen entwich ihm langsam und er sah an sich herunter, um sich zu vergewissern, dass ich wirklich auf ihm saß. Verblüfft sah er mich an: „Ich hätte eher erwartet, dass du mich beschimpfen würdest“. Abwegig wank ich mit meiner Hand: „Das kann ich immer noch machen“.

Er schüttelte vehement den Kopf und legte seine Hände mit einem fragenden Blick auf meine Taille. Ich ignorierte das wohlige Kribbeln, das er damit auslöste und platzierte meine Hände auf seine. Frech blinzelte ich ihm entgegen: „Bin ich jetzt immer noch schüchtern ?“. Er verneinte und schluckte hörbar: „Nein, aber das wärst du auch nicht, wenn du nicht darauf eingegangen wärst“.

Verwirrt über seine urplötzliche tiefe Stimmlage rutschte ich langsam von ihm herunter und er löste vorläufig seine Hände von mir. Dabei hinterließ er eine brennende Spur und brachte mich beinahe um den Verstand. Was war denn jetzt los ? Seit wann reagierte ich so empfindlich auf ihn ? Warum wundere ich mich überhaupt noch über sowas ? Ich werde erwachsen, da kann man schon mal anders als bisher gewohnt reagieren.

Allerdings bezweifelte ich, dass das mit Nolan eine gravierende Bedeutung mit sich brachte. Wir sind beide jung und im ausprobierfreudigen Alter, ich denke, das ist normal. Außerdem hätte eine Beziehung, die tiefer geht als Freundschaft sowieso keinen Sinn. Er war schließlich Nolan Collister. Der Sohn und künftige Nachfolger des Hauptkopfes des regierenden Komitees. Zwischen uns stand viel zu viel, angefangen bei meiner Begabung und Hingabe für Bücher. Irgendwann wird er den Platz seines Vaters einnehmen und sich nur noch flüchtig an mich erinnern. Ich wollte uns die ganze Prozedur mit dem Vergessen ersparen und das beenden, was noch nicht einmal angefangen hat. Aber anstatt ich mich distanziere sitze ich wegen Provokation seinerseits auf seinem Schoß, um ihm etwas zu beweisen, was er schon vorher wusste. Zumindest behauptete er das.

Nolan stupste mich an: „Alles okay ?“. Ich wurde aus meinen Überlegungen geschleudert und keuchte vor Schreck. Als ich mich innerhalb weniger Sekunden gesammelt hatte nickte ich: „Ja, alles gut. Ich habe nur über etwas nachgedacht“. Er runzelte die Stirn: „Über was genau ?“. Schnell erfand ich eine Ausrede: „Wieso du uns hierher gebracht hast. Hier scheint mehr Wasser als Land zu sein“. „Du brauchtest doch eine Träne einer Meerjungfrau. Ich kenne ein paar Meerjungfrauen, die können uns sicherlich helfen“.

Verblüfft sah ich ihn an: „Wie kommt man zu der Ehre ? Meines Wissens sind Meerjungfrauen entweder schüchtern oder selbstverliebt“. Er fuhr sich unbehaglich am Nacken umher: „Das ist eine lange Geschichte“.

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Was Nolan wohl ausgeheckt hat 😆

Revival of Society ist momentan auf Platz #1 in Science- Fiction
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