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Aylana

„Dad ? Kann ich mir dein Plate ausleihen ?", schrie ich aus vollem Hals und lauschte in die Stille nach einer Antwort. Mein Dad trat aus unserem Haus: „Tu was du nicht lassen kannst, aber erzähl das bloß nicht deiner Mutter". Er warf mir das Plate zu und ich fing es geschickt auf. „Danke Dad, du bist der Beste". Ich aktivierte das Plate und stellte mich darauf.

Meine Urgroßmutter hatte mir einmal erzählt, dass die jüngeren Erdlinge früher das Skateboard gehypet hatten, so hatte man es sich jedenfalls in ihren Generationen weitererzählt. Das Plate war eine verbesserte und modernisierte Version vom besagten Rollbrett. Es hatte einige saftige Updates und Aufpolierungen hinter sich, um ein akzeptierbares Fahrmittel darzustellen.

Mein Bruder Marley, der auf dem Dach unseres Zuhauses balancierte und seine neuen Stunttricks übte, verdrehte nur die Augen: „Kannst du dich eigentlich auch mal sinnvoller beschäftigen anstatt immer durch Kerberos zu fliegen ?". Ich streckte ihm die Zunge raus als Dad nicht hinsah.

„DAD ! LANA STRECKT MIR IHREN SPEICHELAUSFLUSS ENTGEGEN !".

Ich sah mit meinem unschuldigsten Blick zu unserem Vater, der nur den Kopf schüttelte und im Haus verschwand.

„Tu mir einen Gefallen und spring vom Dach geliebter Bruder", rief ich ihm zuckersüß zu und er schnaubte. „Damit du meinen Nachtisch bekommst ? Vergiss es".

Ich setzte das Plate in Bewegung und entfernte mich rasch von ihm, bevor er unserer Mutter wieder petzte, dass ich mich außerhalb der Bewohnerzone aufhielt. Sie sah es nicht gerne, denn ihrer Meinung nach war die Welt nichts für kleine Mädchen wie mich. Das sie mich damit beleidigt hatte war ihr nicht aufgefallen und aus Trotz wagte ich mich trotzdem raus.

Was niemand wusste: Ich ging nicht nur außerhalb der Bewohnerzone entlang, ich flog meistens zum Nebenplanet Cyllene, welcher seit Jahrhunderten ungenutzt blieb. Lediglich Bäume wuchsen dort und boten so die perfekte Atmosphäre für einen ruhigen Ausflug.

Heute striff ich aber nur am Rand der Bewohnerzone entlang, weil mir nicht danach war nach Cyllene zu fliegen. Da ich wusste, dass meine Mutter in einer Stunde zurück sein würde, drehte ich nach einem kurzen Rundgang wieder um und hoffte Marley hatte nicht gepetzt.
Kleine Brüder können manchmal echt nervig sein.

Auf dem Weg nach Hause kam ich an zwei Bewohnern vorbei, die sich gerade um ein verletztes Kind kümmerten. Es war auf Kerberos eine Pflicht jedem zu helfen wo es nur ging und auf das nötigste beschränkt zu leben, damit Gleichberechtigung herrschte.

Meine Mutter ist eine angesehene Heilerin und hatte schon früh versucht mir ihr Handwerk beizubringen. Allerdings scheiterte sie kläglich, da ich mich nun mal nicht für Medizin interessierte und lieber unabhängig in der Natur verweilte. Mein Bruder verabscheute mich deswegen auch ein bisschen, weil er meine Meinung nicht teilte.

Um Mum nicht zu verletzen hatte er sich bereit erklärt meine Stelle zu vertreten. Es lag ihm einfach im Blut und er machte täglich große Fortschritte. Damit wurde er zum Lieblingskind unserer Eltern und stellte mich in den Schatten, was mich nicht wirklich störte. Im Gegenteil, so hatte ich mehr Zeit mich mit einem Buch irgendwo draußen zu vergraben und nicht gestört zu werden.

Ich bog links ab und sah vor unserem Hauseingang schon drei Personen stehen. Wütend sah ich eine bestimmte Person an, die mich frech angrinste.

Irgendwann kommt Karma Marley, verlass dich darauf...

„Aylana Hill !", keifte mich Mum bereits an, als ich vor ihnen hielt und das Plate deaktivierte um es Dad wiederzugeben, „wo in aller Welt hast du gesteckt ? Ich habe dir verboten die Bewohnerzone zu verlassen". Ich verdrehte meine Augen: „Ich weiß Mum. Das trichterst du mir jeden Tag ein". „Wie redest du bitte mit mir ?", fragte sie sauer und ich lief kurzerhand an ihr vorbei ins Haus.

Aus Protest ging ich nicht in mein Zimmer oder zum Abendessen, welches bereits auf dem Tisch stand, sondern verschanzte mich auf dem Dachboden. Hier würde mich niemand freiwillig aufsuchen, weil es von Käfern und Spinnen nur so wimmelte und jeder Ekel empfand.

Immer noch gereizt ging ich schnurstracks auf ein altes Regal zu, kniete mich auf den Boden und zog eine Kiste mit Büchern heraus. Ich liebte es mich durch alte Erdlingsromane durchzuschmökern. Sie waren das einzige, was ich von meiner Urgroßmutter noch hatte, als sie vor 2 Jahren gestorben war.

Sie vertraute mir kurz vor ihrem Tod die Kisten mit den Büchern an und war erst beruhigt, als ich sie angenommen hatte. Mum wollte sie wegschmeißen, aber ich hatte mich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, dass sie nicht einmal ein Buch anfassen durfte. Sie hatte es akzeptiert und die Bücher ihrem Schicksal überlassen.

In dieser Kiste waren viele mir noch unbekannte Bücher dabei und ich las flüchtig den Inhalt auf den Rückseiten. Jedoch sprach mir kein Buch so wirklich zu und ich suchte weiter. Am Boden der Kiste glänzte es und ich griff danach.

Meine Hand zog vorsichtig ein kleines Buch heraus. Es war mit einem Schloss versehen und mit Schnörkeleien verziert. Bewundernd fuhr ich mit meinen Fingerspitzen den Einband nach und sprach leise das Wort aus, dass darauf stand.

„дневник"

Was bedeutete das ? Ich räumte die Kiste komplett leer, fand aber nirgendwo einen Hinweis. Den Buchstaben nach zu urteilen war es entweder Russisch oder Polnisch, sonst konnte ich mir die rätselhaften Hieroglyphen nicht erklären.

Revival of SocietyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt