8. Juni - Anders sein

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Heyyy, es wurde sich vor ein paar Tagen gewünscht, dass ich mal das Thema Transgender und Transphobie mit einbaue :)
Ich hoffe, ich konnte das alles gut darstellen und euch gefällt der Oneshot.

Die Sommerferien waren vorbei. Das bedeutete, das neue Schuljahr würde beginnen. Besonders freute sich Colin auf seine neuen Mitbewohner. Vor den Sommerferien war Frau Schiller zu ihm gekommen und hatte ihm erzählt, er würde in ein neues Zimmer mit zwei neuen Schülern ziehen. Sie waren beide 9. Klasse, also Colin's Jahrgang.

Etwas unentschlossen und aufgeregt stand Colin vor der Tür, welche zu seinem neuen Zimmer führte. Sie war verschlossen und von drinnen waren keine Geräusche zu hören. Vorsichtig öffnete er die Tür. Als erstes fiel sein Blick auf den Brünetten Jungen, welcher gerade eine Flasche Limo auf den Tisch stellte. Als dieser sich umdrehte und Colin sah, fing er sofort an zu sprechen. „Hey! Ich bin Joel!" stellte er sich vor. „Colin." erwiderte er. Colin wollte nicht unfreundlich klingen, aber so richtig Lust auf ein Gespräch mit diesem Typen hatte er jetzt nicht.

Als Colin das Zimmer betrat merkte er, dass noch ein zweiter Junge da war. Er lag jedoch in seinem Bett und schaute einen Film auf seinem Tablet. Colin schenkte er keine Beachtung. Trotzdem ging dieser freundlich zu ihm und reichte ihm die Hand. „Hey!" meinte er. Kurz schaute der blonde von seinem Tablet auf. Sofort verlor Colin sich in diesen umwerfenden blauen Augen. Doch der Junge unterbrach diesen Blickkontakt viel zu schnell wieder, als das er ihn hätte genießen können.

Kopfschüttelnd lief Colin zum letzten freien Bett im Zimmer und ließ sich darauf nieder. Zum Koffer auspacken war er jetzt viel zu faul. Außerdem hatte er eine lange Zugfahrt hinter sich und brauchte jetzt erstmal ein bisschen Zeit zum ausruhen.
Naja, wenn man es ausruhen nennen konnte. Joel fing sofort an, Colin eine Rede über Fenchelsaft zu halten.

Scheinbar war er sehr auf sein Business fixiert, denn er hörte überhaupt nicht mehr damit auf.

Mittlerweile waren einige Wochen auf dem Einstein vergangen. Joel und Colin waren sowas wie beste Freunde geworden. Mit ihrem anderen Zimmernachbarn, Noah, verbrachten sie auch gern Zeit. Er war etwas aus sich heraus gekommen nach einigen Tagen und verstand sich jetzt auch gut mit den beiden. Man konnte schon fast sagen, sie waren eine Freundesgruppe.

Nur eine Sache beschäftigte Colin sehr. Er bekam mit der Zeit das Gefühl, für einen seiner Mitbewohner mehr, als nur freundschaftliche Gefühle entwickelt zu haben. Zwar hatte Noah ihnen irgendwann mal erzählt, dass er in der Grundschule einen Freund hatte und schwul war, aber das hieß ja noch lange nicht, dass er sich nun ausgerechnet in Colin verliebte.

Er hatte weder Joel, noch seiner besten Freundin Julia etwas davon erzählt. Aber langsam brauchte er einen Rat, da dieses Gefühl ihm viel zu sehr beschäftigte, als es sollte.

Colin betrat leise das Zimmer der drei Jungs. Zu seinem Glück war Noah nicht da. Joel stand vor seinem Flipchart und schrieb etwas darauf, was Colin aber nicht beachtete.
„Joel, hast du vielleicht kurz Zeit?" fragte Colin vorsichtig. „Klar!" Joel steckte die Kappe auf seinen Stift und legte diesen dann auf dem Schreibtisch ab. Er setzte sich auf einen Stuhl und schaute dann erwartungsvoll zu Colin, welcher damit zu kämpfen hatte, die richtigen Worte zu finden.

„Naja also... ich glaube, ich habe mich in jemanden verliebt." murmelte Colin. Joel lächelte ihn freudig an. „Wie schön bitte! In wen?"
Colin blickte unbeholfen zu Noahs Bett. Es fiel ihm schwer, diesen Namen über seine Lippen zu bringen. Doch an seinem Blick konnte Joel sowieso schon alles erkennen. „Noah?" fragte er vorsichtig. Colin schaute wieder zu ihm und nickte dann vorsichtig. „Wie schön. Ihr passt gut zusammen." meinte Joel darauf. Und das war auch so gemeint. Die beiden waren von Anfang an süß zusammen laut Joel. „Findest du echt? Ich fühle mich irgendwie... seltsam." meinte Colin und schaute bedrückt auf den Boden. „Du meinst, weil du anders bist? Weil Noah kein Mädchen ist?" fragte Joel nach.

Colin schaute zu ihm und nickte dann. „Bis vor ein paar Wochen dachte ich halt noch, dass ich straight bin. Das ist so neu für mich."
„Naja, wenn das deine einzige Sorge bei dem ganzen ist...." Joel dachte kurz nach. Dann fragte er: „Kann ich dir was erzählen?"
„Klar." Colin nickte.

„Vor zwei Jahren, also als ich gerade in die 7. Klasse gekommen bin, da hab ich angefangen mich selbst nicht mehr zu mögen. Schon früher hatte ich immer Probleme damit, wie ich aussah, aber ich hab mir halt nie wirklich Gedanken darüber gemacht." begann Joel langsam. „Und irgendwann hab ich dann begriffen, dass es was ‚ernstes' ist. Ich habe mich aber nicht getraut mit meinen Eltern oder Freunden darüber zu sprechen, weil ich Angst vor der Reaktion hatte. Also bin ich zu einer Beratung gegangen und habe ihr alles erzählt. Dann bin ich noch einige Male allein hin. Es zog sich fast über ein halbes Jahr. Aber so richtig einen Grund, dass ich mich selbst nicht mochte, hatte ich nie gefunden. Irgendwann bin ich dann zusammen mit meiner Mutter hin und wir haben gemeinsam über meine Probleme gesprochen. Dann habe ich verstanden, dass ich mich einfach nicht als Mädchen identifizieren kann. Egal, wie sehr ich es auch versucht hatte." erzählte Joel.

Colin machte große Augen. Mit so einer Story hatte er jetzt nicht gerechnet.

Kaum hatte er aufgehört, redete Joel auch schon weiter. „Ich war dann ein paar Tage später beim Friseur und habe mir die Haare kurz schneiden lassen. Diese Veränderung hatte schon super gut getan. Noch am selben Tag hatten meine Mutter und ich mir Binder gekauft. Meinen Klamottenstil habe ich dann auch komplett verändert. Es tat gut. Und irgendwann habe ich angefangen, mich wohl zu fühlen.
Naja, bis meine Klasse gecheckt hat, dass ich das nicht als Mädchen tue, sondern als Junge. Da haben sie angefangen, sich über mich lustig zu machen. Das tat echt weh. Ich hatte bis zu dem Punkt, der mittlerweile schon in der achten Klasse war, immer gedacht, alle würden damit positiv umgehen. Aber da hatte ich mich stark geirrt. Alle haben sich lustig gemacht. Alle haben mich ausgeschlossen." erzählte Joel. „Ich will dir damit jetzt keine Angst vor deiner Sexualität machen, ich will dir nur sagen, dass es jeder Queeren Person so geht. Bei manchen sofort, bei manchen erst später. Aber es ist wichtig, dazu zu stehen, denn sonst stehst du dir selbst im Weg. Du musst dich selbst akzeptieren können."

Colin wirkte immer noch erstaunt über diese Offenheit von Joel. Dennoch lächelte er ihn warm an. „Danke, dass du es mir erzählt hast." meinte er schließlich. „Das bedeutet mir echt viel."

Irgendwann wurde es mir in der Schule zu viel und ich habe gewechselt. Hier wurde ich gleich als Joel angemeldet. Niemand weiß, dass ich noch immer den Körper eines Mädchens habe. Ich weiß nicht mal, ob Frau Schiller es weiß." erklärte Joel.
„Aber egal! Geh jetzt zu Noah! Ich bin mir sicher, er fühlt genauso wie du!" meinte Joel und machte eine Handbewegung Richtung Tür. Das hatte Colin gerade gebraucht. Er sollte wirklich mit Noah reden.

Und das tat er.

Es lief noch tausend mal besser, als erwartet. Sie gestanden sich ihre Liebe und schon bald wusste es die ganze Schule. Nicht alle waren vielleicht begeistert davon, aber keiner machte schlechte Kommentare. Alles war perfekt. Es war perfekter, als je zuvor.

Ende

Nolin Pride MonthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt