D r e i u n d z w a n z i g

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Es blieb still.
Es war diese vollkommende Stille zwischen uns, die man bewahren, aber gleichzeitig auch entfliehen möchte.
Keiner von uns bewegte sich, wir saßen wie zwei Figuren nebeneinander und starrten auf die glatte Wasseroberfläche des Sees.

Es verging viel Zeit bis sich Louis endlich regte und in seiner Jackentasche herumwühlte.
Ich wendete meinen Blick zu ihm und beobachtete ihn dabei, wie er eine Zigarette aus der Schachtel fischte und sie sich in den rechten Mundwinkel schob.
„Manchmal ist das Leben zu beschissen um alleine damit klar zu kommen." Flüsterte er und hielt die Flamme des Feuerzeugs an das Ende der Zigarette.

„Oder alles andere..." antwortete ich leise und sah fasziniert zu, wie Louis die Zigarette aus dem Mund nahm und den Rauch in die Luft blies.
Der Geruch schwappte zu mir hinüber und ließ meinen Körper darauf reagieren.

„Willst du auch?" Louis hatte meinen Blick bemerkt und hielt mir den Glimmstängel hin.
Automatisch nickte ich und nahm ihn entgegen.

„Scheiß auf Krebs." Murrte ich

„Scheiß auf Krebs. Wir haben weitaus größere Probleme." Antwortete er, als ich zum ersten Mal einen tiefen Zug nahm. Der Rauch strömte in meine Lungen und es fühlte sich so an, als würden sie erleichtert aufjubeln. Langsam stieß ich den Rauch wieder aus und sagte, während wir beide den in den Himmel aufsteigenden Rauchschwaden mit den Augen folgten: „Da wäre zum Beispiel die Tatsache, dass ich mich nicht mehr an meinen Verlobten erinnern kann."

Ich reichte Louis seine Zigarette wieder.

„Oder dass ich Dutzende Tattoos habe, deren Bedeutung ich nicht einmal vermuten kann..." erwiderte er und nahm selbst noch einmal einen Zug, bevor er sie wieder an mich weiterreichte.

„Oder, dass mein verdammtes Schicksal wohl wollte, dass ich mich zumindest an den bescheuertsten Tag meines Lebens erinnern kann." Der Rauch hüllte uns und meine Worte ein, doch es machte uns nichts aus. Es fühlte sich gut an.

„Der Tag deiner Verlobung?"

„Nein, Louis. Der Tag meines Todes." Ich stockte, räusperte und verbesserte mich: „Nein, der Tag meines Unfalles. Tot sind wir noch nicht... glaube ich... vermute ich... hoffe ich?"

Langsam reichte ich Louis die halbabgebrannte Zigarette wieder und er fuhr mit unserer Auflistung fort: „Mein Schicksal will, dass ich mich an ein paar Textzeilen von einem Lied erinnere. Es reichte ich nicht, sie mir auf die Brust tätowieren zu lassen, nein, ich erinnere mich daran, weiß dennoch aber nicht den wirklichen Grund für mein Tattoo."

Gekonnt pustete er in kleinen Kringeln den Rauch aus und insgeheim fragte ich mich, wie oft er wohl schon hier in dieser Schneelandschaft geraucht hatte...
Ich bekam den nur noch leicht glimmenden Stummel und nahm den letzten Zug, bevor auch diese Zigarette ihren Geist aufgab und verglühte.

„Und wohl unser größter Problem..." setzte ich an, als ich den Rauch auspustete, weiterhin mit angewinkelten Beinen im Schnee saß und auf den See hinaussah, „Unser größtes Problem, Louis, ist wohl, dass wir nicht die geringste Ahnung haben, wie wir aus dieser weißen Hölle herauskommen."

„Du hast Recht."

„Da hätten nicht einmal deine Äste dir geholfen, Louis."

„Nein, meine Äste hätten uns auch nicht hier herausbringen können, sie würden gerade einmal als Fackeln reichen, die uns in der Dunkelheit Licht spenden..."

Ich ließ mich mit meinen Oberkörper nach hinten in den Schnee fallen und Louis tat es mir gleich. So wie in meiner Erinnerung lagen wir nun nebeneinander.
Der Unterschied lag nur darin, dass wir nun um einiges älter waren und uns nicht auf einer Wiese in der Welt der Lebenden befanden.

Lost souls • ElounorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt