Z w ö l f

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Nichts hatte ich in dieser Schneelandschaft mehr genossen, als mich hier einfach im Wasser treiben zu lassen. Es war entspannend und ich genoss das plätschernde Geräusch des Wassers, das ich bei jeder meiner Bewegung verursachte.

Lange Zeit starrte ich einfach in den wolkenlosen Himmel, bis ich an den Baum, der mitten im See gewachsen war, anstieß.

Vorsichtig berührte ich ihn mit meinen Händen, versuchte so herauszufinden, wie er es geschafft hatte, diese Herausforderung zu meistern.

Doch schlussendlich blieb der Baum einfach nur ein Baum, der trotz aller Widersprüche es geschafft hatte.

Und vielleicht würde ich immer einfach nur eine Gefangene bleiben, die trotz aller Hoffnung es nicht geschafft hatte.

Doch bevor ich dies akzeptieren würde, musste noch viel passieren.

Denn der Baum zeigte mir, dass der See nicht sein Gefängnis war.

Nein, es war ein Zeichen seiner Stärke, seiner Kraft und seines Willens.

Und vielleicht wollte mich diese Schneelandschaft auch einfach auf die Probe stellen, um zu schauen, ob ich genauso stark sein würde, wie der Baum.

Und ich gab mir selbst das Versprechen, dass ich nicht aufgeben würde, einen Weg in mein altes Leben zu suchen, bis ich endgültig am Boden lag.

Aus Angst, dass Louis mich holen kommen würde, schlüpfte ich schnell in meine Anziehsachen, ohne mir Gedanken darüber zu machen, ob es Möglichkeiten gegeben hätte, mich abzutrocknen.

Da mir die Kälte nicht weiter ausmachen konnte, außer dass die Nässe ein nerviges Hautgefühl hinterließ, war es mir Recht egal.

Meine Haare versuchte ich so gut es ging mit meinen Fingern zu entwirren, was mir aber mehr schlecht als recht gelang, sodass ich es schließlich ganz aufgab und sie mir einfach mit in meinen nassen Pullover steckte.

Gerade als ich mich auf dem Weg zurück zu der Lichtung machen wollte, stockte ich.

Wollte ich mich wirklich jetzt wieder Louis stellen?

Louis und seinen sarkastischen Bemerkungen?

Louis, der mir immer wieder an den Kopf warf, dass es keinen Sinn mehr machte, zu hoffen?

Unsicher fuhr ich mir durch mein Haar und zog sie somit wieder aus dem Pullover heraus.

Zwar hatte ich es eben gerade für einen kurzen Moment vergessen und einfach nur im Wasser treiben können, doch nun stürmten wieder alle seiner Bemerkungen und all meine Gefühle auf mich ein.

Doch besonders eine versetzte mir einen Stich im Herzen.

Du kennst deinen Verlobten doch auch nicht mehr, also wie willst du wissen, dass er gerade nicht mit einer anderen vögelt?

Genau diese Wörter waren es, die mein Herz stolpern und dann verzweifelt weiterschlagen ließen.

Aber nicht, weil Louis sie gesagt hatte.

Sondern weil es genau die Wörter waren, die ich aus meinem Kopf aussperren wollte.

Die Wörter, die kein tolles Leben beschrieben.

Die Wörter, über die ich nicht nachdenken wollte.

Ich wollte mir vorstellen, dass es nur ein Traum war und dass ich gleich in den Armen meines treuen Verlobten aufwachen würde und dass ich mich an alles wieder erinnerte.

Ich wollte mir nicht vorstellen, dass ich tot war, mein Verlobter seine Freiheit ausnutzte und mich schon vergessen hatte.

Seufzend ließ ich mich an das Ufer des Sees nieder und vergrub meine Hände in den Schnee.

Lost souls • ElounorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt