POV: Manu
Natürlich habe ich keinen Empfang, hier oben auf der Klippe. Trotzdem starre ich auf die Favoriten meiner Anrufliste als wären meine Augen daran gefesselt. Als könnte sie verschwinden, wenn ich blinzele.
Die Liste umfasst nur Mama und meine Brüder. Es macht mich nervös, zu wissen, dass ich es nicht mitbekommen würde, wenn sie mich jetzt anrufen würden. Aber eigentlich weiß ich ja, dass sie mich nicht anrufen werden. Ich fluche leise. Die Wut fühlt sich besser an als das Selbstmitleid, aber meine Stimme klingt erstickt. Gottverdammt, Manu, du bist erbärmlich.
Ich will Mama schreiben, dass ich zur Familie gehöre. Dass man sowas als Familie gemeinsam durchsteht. Dass sie es ohne mich noch immer nicht wüsste, dass sie froh sein kann, dass ich selbst nichts genommen habe. Meine Brüder, die Suchtis geworden sind und auf unsere Familie geschissen haben dürfen bleiben, und ich fliege raus, obwohl ich helfen könnte, die Sache in den Griff zu kriegen.
Ich will meinen Brüdern schreiben, dass ich sie nicht verraten wollte. Dass ich wünschte, ich hätte das nie tun müssen. Dass sie mir keine Wahl gelassen haben, und dass ich ihr Leben wahrscheinlich gerettet habe.
Keiner von beiden würde mir verzeihen, aber im Kopf formuliere und überarbeite ich eine Nachricht an Mama, immer wieder. Ich bin dein Sohn. Aber ich versteh schon. Dumm von mir, zu glauben, dass du mich deswegen liebst.
Vermutlich würde jeder Versuch, ihr ein schlechtes Gewissen zu machen, sowieso scheitern. Sie hat wichtigeres zu tun als mich.
Mir wird heiß vor Scham und vor Wut. Meine Kehle drückt.
Ich tippe auf den Chat mit Mama. Bevor ich tippen kann, fällt mein Blick auf die beschissene letzte Nachricht, die ich von ihr bekommen habe. Du bist undankbar. Stell dir vor, ich tue eine Menge für dich, und Hannah erst Recht. Ich werde mir nicht auch noch dein Geheule anhören. Gewöhn dir an, dass du nicht immer im Mittelpunkt stehen kannst, erst Recht nicht, wenn ich hier mit Drogensüchtigen kämpfe. Wofür du verantwortlich bist. Ließ ein Buch, Manuel. Mach einen Spaziergang. Du kannst das wenigstens noch.
Nichtheulennichtheulennichtheulennichtheulen.
Ich schließe den Chat, ramme mein Handy in meine Jackentasche und mache mich auf den Weg zurück. Ich werde Mama nicht schreiben. Ich werde keinem meiner Brüder schreiben.
Ich hab niemanden sonst, dem ich schreiben kann. Es ist ein beschissener Zeitpunkt, um zu bemerken, dass ich keine Freunde habe.
Manchmal ist es eine aktive Beschäftigung, etwas nicht zu tun. Passiv laufe ich zurück zu Hannahs Haus. Und aktiv habe ich genug damit zu tun, nicht zu zerbrechen.
Na? Ganz schön melodramatisch, was?
Vielleicht fragt ihr euch jetzt "Eine Kürbistumor-Fic in 2024? Warum???" und joa, berechtigte Frage. Dieses Shipping war damals mein Eintritt in die Welt der Fanfictions. Dabei hab ich es nicht mal gefühlt... (glpaddl forever lol paluten hat mich immer genervt)
Und jetzt bin ich alt as fuck und dachte mir "Was gäbe es nostalgischeres als jetzt selbst eine solche Fic zu schreiben?"
Mit dem Ansatz kommt auch ein Ziel. Ich will hier nicht die beste, originellste und herzzerreißende Geschichte schreiben die die Welt je gesehen hat. (Würde ich das wollen, wäre mein Medium auch nicht Fanfiction...). Ich will all das einfangen und in Einem verpacken, was für mich den Charme von Fanfiction ausmacht. Das heißt, manches ist klischeehaft, überzogen oder unrealistisch. Das heißt, die Süße ist zu süß für einen richtigen Roman, das Drama zu dramatisch und das happy end zu happy (spoiler lol). Wenn ihr für eine solche Nostalgie-Reise in die alte Fanfiction-Welt bereit seid, folgt mir gerne. Und natürlich freue ich mich auch über Kommentare (besonders die, die mich auf Fehler hinweisen) und Sternchen. Oberflächlichkeit verschwindet schließlich nicht mit dem Alter.PS: Vielleicht ist einigen die Neuen-Nachbarn-Durchs-Fenster-Reingucken-Parallele zu "Den Mund voll ungesagter Dinge" von Anne Freytag aufgefallen. Ja, das ist ein bisschen geklaut. Wenn ihr DMvuD noch nicht gelesen habt: Tut das! Es ist eure Zeit milliarden Mal mehr wert als diese Fanfiction.
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Weg vom Fenster - #Kürbistumor
FanfictionNachdem die Drogenabhängigkeit seiner Brüder herauskommt, will Manu eigentlich nur bei seiner Familie sein. Doch genau die verbannt ihn, in ein kümmerliches Fischerdorf am Arsch der Welt, zu seiner Tante. Sein einziger Lichtblick: Der Junge von nebe...