POV: Patrick
Ich liege eingesperrt zwischen Manus Körper und der Zimmerwand auf seinem Bett. Es ist gemütlich. Die kleine digitale Uhr oben an Manus Laptop, auf dem wir, auf seine Empfehlung hin, better call saul schauen, zeigt 1:30, und ich weiß nicht, wie es so spät werden konnte. Wir haben nur geredet.
Fast berühren sich unsere Arme. Ich ziehe meinen zurück. Manu scheint es nicht zu bemerken.
Mein Blick fällt wieder auf das kleine, dreieckige Fenster. Immer wieder, seit ich hier im Zimmer bin, driften meine Gedanken dahin ab, wie ich von dort aus bloß aussehe. Aus seiner Perspektive. Dreieckig und ein bisschen von oben herunter. Nackt. Wenn es hier dunkel ist, und drüben hell. Ich weiß nicht mehr, warum ich mich so bereitwillig auf seinen Präsentierteller gesetzt habe. Aber ich kann keine Reue in mir finden.
Am liebsten würde ich mich vor dieses Fenster setzen und es mit eigenen Augen verstehen. Aber ich halte still.
Hannahs Klopfen reißt uns aus der Spannung der Folge. Manu pausiert.
Sie tritt ein. In Jogginghose und einem Pullover, die eindeutig ihre Schlafsachen sind.
"Ich will euch beide ja nicht stören" - ist da etwas anzügliches in ihrem Blick? Wenn ja, ist es so schnell wieder verschwunden wie gekommen. "Aber wollt ihr nicht langsam mal ins Bett? Ich für meinen Teil bin müde."
Man merkt, dass sie keine Mutter ist. Die Unerfahrenheit ist deutlich zu hören. Ob man Siebzehnjährige überhaupt noch ins Bett schicken muss, und wenn ja, wann oder wie. Manu nickt ihr verständnisvoll zu. "Wir schauen die Folge noch zuende, dann pennen wir."
Ich räuspere mich leise, bevor ich frage: "Wo kann ich pennen?"
Hannah scheint überrumpelt. "Ich... ich kann dir das Sofa unten beziehen, wenn du möchtest?"
"Nein, nein, keine Umstände." Mein Gesicht ist rot. "Ich hätte nicht einfach davon ausgehen dürfen, dass ich hier schlafen darf, ohne dich zu fragen. Entschuldige. Wir schauen die Folge zuende, und dann gehe ich rüber und schlafe da. Es sind schließlich keine zwanzig Meter."
Sie nickt lächelnd und geht. Da ist Erleichterung in ihrem Ausdruck und ich begrabe das Gesicht für einen Moment in den Händen.
Wir widmen uns wieder der Serie.
Mittlerweile merken wir, dass wir müde sind. Unser Pausieren, um das Geschehen auf dem Bildschirm zu besprechen, wird immer seltener und hört schließlich auf. Manu rutscht ein Stück herunter um seinen Kopf auf dem Kissen betten zu können, und ich halte kurz ein, als sein Bein dabei meines streift. Es ist nicht so, dass ich ein Problem damit hätte, mit einem anderen Jungen in einem Bett zu schlafen. Aber Manu kenne ich erst seit einer Woche. Jetzt, wo wir so nah beieinander liegen, weiß ich nicht, wie ich mich verhalten soll.
Meine Müdigkeit beginnt, die Sorgen zu ersticken. Meine Konzentration driftet zurück zu der Serie, dann ins Nichts, dann wieder zurück ins Geschehen. Immer wieder habe ich das Gefühl, gerade kurz weggenickt zu sein, und einen Teil der Handlung verpasst zu haben.
Als die Folge vorbei ist, schließe ich den Laptop und stelle ihn beiseite.
Manu liegt neben mir und schläft. Sein Atem geht ruhig, aber kurz, als würde er in den Hals atmen statt in die Lungen. Seine eine Hand liegt unter seinem Kissen, die Andere krallt sich in der Bettdecke fest.
Ich kann nicht über ihn drüberklettern, ohne ihn zu wecken.
Vorsichtig lege ich den Kopf auf einem Kissen ab und decke uns beide zu. Wir lagen die ganze Zeit nebeneinander... was ist schon dabei, wenn ich jetzt noch hier schlafe?
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Weg vom Fenster - #Kürbistumor
Hayran KurguNachdem die Drogenabhängigkeit seiner Brüder herauskommt, will Manu eigentlich nur bei seiner Familie sein. Doch genau die verbannt ihn, in ein kümmerliches Fischerdorf am Arsch der Welt, zu seiner Tante. Sein einziger Lichtblick: Der Junge von nebe...