POV: Patrick
Die Küche in Robins Elternhaus ist klein und sauber. Normalerweise. Heute ist sie ein Saustall, weil wir spontan entschieden haben, Waffeln zu backen. Gute Entscheidung, weil man den Teig nicht mit den Händen kneten muss, und ich somit immer wieder mein Handy rausholen kann, wenn Manu schreibt.
Ich war derjenige, der angefangen hat, Fragen zu stellen, während Manu noch im Zug saß. Aber Manu ist bald warm mit mir geworden. Und jetzt erzählen wir beide, von uns aus, was in unseren Leben passiert, während wir einander nicht sehen können.
Ich kenne nun die Art, wie seine Familie ihn fertig macht, und er die, wie meine mich ausleert. Sachen, die ich kaum jemandem jemals anvertraut habe, und Sachen, die er nie irgendwem erzählt hat. Wahrscheinlich hilft es auch hier, dass wir einander nie wieder sehen werden, wenn er zurück zu seiner Mom zieht. Und, dass er gerade so weit weg ist, dass es sich anfühlt, als könne er nicht mehr sein als die Textnachrichten, die er mir schickt. Als lebe er in meinem Handy.
Mein Display leuchtet auf. Ich reiche das Rührgerät an Robin weiter. Sie stöhnt genervt.
Manu B: Keine Ahnung. Bei euch im Dorf ist halt alles so stabil. Ich will aber auch bei meiner Familie sein. Richtiger Zwiespalt. Ich kann nicht beides haben.
Patrick M: Wann kommst du dann zurück?
Manu B: Wenn sie mich rauswerfen. Wird so oder so bald passieren. Aber ich will hier eigentlich jetzt schon nicht mehr bleiben und will auf keinen Fall weg. Ich wünschte ich hätte das Dorf hier. Sorry fürs heulen.
Patrick M: Soll ich zu dir kommen?
Manu B: Klar XD... Nein, aber du kannst mich vom Bahnhof abholen, wenn du Zeit hast. Würde mich sehr erleichtern.
Dass er "erleichtern" schreibt, statt "freuen" ist so Manu. Die Dinge so exakt und so ehrlich auszudrücken wie möglich ist ihm immer mehr wert, als das zu sagen, was von ihm erwartet wird. Vielleicht ist es das, was ihn so awkward macht. Die Art, wie er auf Erwartungen scheißt
"Handy weg jetzt." Robin sieht langsam böse aus. "Muss ich das Treffen zum Date erklären, damit du irgendwie präsent bist?"
"Sorry. Du hast ja Recht." Ich schiebe mein Handy in die Hosentasche. In dem Moment, in dem ich es loslasse, vibriert es, und ich habe es schon halb wieder herausgezogen, als mich Robins Todesblick trifft. Sofort schiebe ich es zurück und hebe die Hände, als würde sie mich verhaften. "Sorry. Sorry. Du hast Recht."
Obwohl Manu in meiner Tasche bleibt, während wir die Waffeln auf Teller stapeln und in einen Picknickkorb laden, denke ich an ihn. Jetzt, wo ich ihn gut genug kenne, um ihn einschätzen zu können, mag ich ihn wirklich. Am Anfang habe ich nie erkennen können, wann er sarkastisch ist. Jetzt kann ich. Und ich erkenne, dass er nicht streitlustig ist, wie Greg ihm seit ihrer ersten Begegnung nachsagt, sondern einfach nur alles geklärt haben möchte, bevor es zu Unehrlichkeit kommt. Er lässt reibungsintensive Beziehungen so problemlos zu, weil er es nicht erträgt, zu wissen, dass ihn jemand lieber anlügen würde als mit ihm zu streiten. Mein Harmoniebedürfnis stellt sich um, bei ihm. Und ich bin so stolz auf mich, weil ich ihn noch nie angelogen habe, obwohl ich es so oft hätte tun können.
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Weg vom Fenster - #Kürbistumor
FanfictionNachdem die Drogenabhängigkeit seiner Brüder herauskommt, will Manu eigentlich nur bei seiner Familie sein. Doch genau die verbannt ihn, in ein kümmerliches Fischerdorf am Arsch der Welt, zu seiner Tante. Sein einziger Lichtblick: Der Junge von nebe...