POV: Patrick
Dad schiebt Kartoffelpüree mit dem Messer auf seine Gabel. Mit einem schrillen Geräusch kratzt es über den Teller. Manchmal glaube ich, dass ich die Aktienkurse seiner Firma gar nicht kontrollieren brauche. Ich kann den Stand auch daran ablesen, wie laut sein Geschirr ist.
Mom salzt nach, mit gespitzten Lippen. Das Geräusch schneidet tief in den Raum.
Dad stellt sein Glas hart auf dem Tisch ab. "Redest du jetzt nicht mehr mit mir oder was?"
Sie lächelt herablassend. "Vielleicht ist das auch einfach kein guter Weg ein Gespräch zu starten."
Ich hasse Antworten wie diese, weil es genau die sind, bei denen dazwischenfahren nichts bringt. Es steht kein Thema im Raum, das ich auf ein Anderes ableiten könnte. Nur Aggression. Der Beweis für mich, dass nicht die empfindlichen Themen das Problem sind, sondern die Tatsache, dass sie streiten wollen.
Er versucht, nicht zu antworten, und scheitert. "Wenn du mir jetzt wieder damit kommen willst, du hättest von Anfang an-"
"Ich habe kein Wort gesagt", unterbricht sie kalt, und ich werfe dazwischen: "Ich nehme Manuel heute mit zum Chor." Es ist ein Versuch, dem man meine Verzweiflung mehr als ansieht. Ich hasse es.
Sie wendet sich an mich und lächelt künstlich. "Toll, dass du dich so um ihn kümmerst"
Dads Blick ist härter. "Toll, dass du hier so davon ablenkst, wie sie versucht, uns die Laune zu verderben."
Ihr Lachen ist ein höhnisches Stechen. "Genau, es ist mein einziges Lebensziel, für schlechte Stimmung zu sorgen. Eigentlich hast du mich auch nur deswegen geheiratet, vorher war die Stimmung immer so gut."
Er knallt sein Besteck auf den Tisch.
"Leute!" Meine Stimme klingt, als würde ich gleich heulen. Ich habe so viel verfickte Übung darin, ihren Streit zu ersticken, wenn er aufkommen will. Aber es gibt nichts zu ersticken. Sie streiten über gar nichts.
Dad ignoriert meinen Einwurf. "Weißt du, wie viel Geld du ausgibst? Ich nicht, aber ich weiß, wie viel du einnimmst, nämlich-"
Sie lässt ihn nicht ausreden. "Weißt du, wie viel du ins Nichts schießt, weil du nicht auf mich hörst? Weil du das Risiko jedes Mal noch höher schrauben musst?"
"Könnten wir nicht-" Ich weiß gar nicht, welchen Kompromiss ich vorschlagen will. Fange den Satz einfach an, ohne zu wissen, worin er enden soll. Hauptsache ich rede, und sie reden weniger. Aber Dad lässt mich eh nicht fortfahren.
"Musst du nicht längst los? Wenn du Manuel mitnehmen willst, solltest du auch pünktlich sein"
Er hat recht. Ich hätte schon vor ein paar Minuten losgehen müssen. Aber das hier fühlt sich mehr wie ein Rauswurf an, als wie eine freundliche Erinnerung.
Der Schritt nach draußen ist wie die Flucht aus einem einstürzenden Haus. Noch bevor die Tür zuschlägt und die Geräusche drinnen einsperrt, höre ich schon, wie sie anfangen, einander anzuschreien.
Der Kloß in meinem Hals wird dicker. Ich berühre den Türrahmen noch einmal und schlucke.
In meinem Kopf ist unser Haus ein Ballon, und jeder Streit ist giftiges Gas. Wir pumpen ihn auf und auf und auf, bis wir alle darin nicht mehr atmen können. Irgendwann wird er platzen. Mir geht jetzt schon die Luft aus. Meine Augen tränen von der Schärfe der Luft. Schon bald werde ich nicht mehr so tun können, als könnte ich lüften. Ich kann nichts von dem Gift mehr nach draußen leiten, wenn es einmal drinnen ist. Ich kann nur dafür sorgen, dass langsamer Neues entsteht.
Alles in meinem Inneren zittert. Meine Maske bleibt fest, aber dahinter liege ich in Trümmern. Ich will nicht mehr zum Chor, und erst Recht nicht zu Manu. Mich mit einem Fremden in Robins Auto einzusperren ist genau genommen das letzte, was ich jetzt will. Weil ich Manu nicht erklären werde, warum es mir beschissen geht, und weil ich die Maske sprengen werde sobald der Druck dahinter zu groß ist. Ich will sie sprengen. Ich will alleine sein.
Aber ich habe es abgemacht.
Bevor ich explodieren kann, zwinge ich meine Hand, sich auf Hannahs Klingelknopf zu senken.
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Weg vom Fenster - #Kürbistumor
FanfictionNachdem die Drogenabhängigkeit seiner Brüder herauskommt, will Manu eigentlich nur bei seiner Familie sein. Doch genau die verbannt ihn, in ein kümmerliches Fischerdorf am Arsch der Welt, zu seiner Tante. Sein einziger Lichtblick: Der Junge von nebe...