POV: Manu
Patricks Zimmer ist dunkel und leer. Er schläft bei Robin. Fühlt sich an, als würde ich eine Folge in einer Serie verpassen, und trotzdem kann ich nicht aufhören, auf den leeren Bildschirm zu starren.
Mir ist heiß.
Ich erinnere mich, wie ich Patrick und Robin beobachtet habe. Wie mein Blick an Patricks Rücken geklebt hat, an seinem Nacken, an jeder Bewegung. Ich erinnere mich an die Zeit früher, kurz bevor ich das erste Mal mit einem Mädchen ausgegangen bin. Wie meine Brüder mich aufgezogen haben, ewige Jungfrau, Angsthase, vermutlich schwul. In meinem Kopf mischt es sich zu einem verwirrenden Brei.
Mit Mädchen auszugehen hat sich immer angefühlt wie ein Spiel. Ich meine das nicht so, dass es weniger wichtig war. Es war wichtig. Man musste das Spiel gewinnen.
Ansprechen, ihre Nummer kriegen, erobern, ausgehen, Dates, Küsse. Ernster als das wurde es nie, aber es hat mir gereicht. Als hätte ich das höchste Level damit geknackt. Ich weiß nicht, ob ich die Mädchen geliebt habe, oder ob ich es geliebt habe, der Typ zu sein, der weiß, wie man Mädchen rumkriegt. Und ich mochte die Mädchen immer. So wie man Mädchen eben mag.
Sie konnten alles rechtfertigen, was ich bin. Lange Haare, Lederjacken, in einer kurzen Phase mit 14 sogar Eyeliner... Gegen "Manu, du siehst aus wie ein Mädchen" war "und im Gegensatz zu dir krieg ich so Mädchen ab" immer ein perfekter Konter gewesen.
Ich traue mich nicht, mir selbst Fragen zu stellen. Ganz tief in mir zieht sich etwas zusammen. Scheiße.
Ich will mich nicht mehr konzentrieren. Als ich nach meinem Handy suche, fällt mein Blick kurz zufällig in den hohen, schmalen Spiegel in der Zimmerecke. Der Junge darin sieht wach und verwirrt aus. Seine Wangen glühen rot.
Ich starre in meinen Chat mit Patrick. In sein Fenster, in den Chat, wieder in sein Fenster. Gott, Manu, du bist erbärmlich.
Er schreibt mir nicht. Warum sollte er auch? Er ist bei Robin, die beiden führen fort, was sie auf der Party angefangen haben. Küsse, Berührungen, Sex, den ich diesmal nicht sehe. Irgendwie fühlt er sich gerade deswegen wichtiger an. Realer. Stechend. Sein Fenster bleibt dunkel, und es wird dunkel bleiben, egal, wie oft ich nachsehe. Irgendetwas daran, vielleicht auch irgendetwas an ihm, oder an Robin, macht mich wütend. Nicht richtig wütend, nur... wütend. Keine Ahnung. Keine verfickte Ahnung mehr von irgendwas.
Meine Arme umschlingen meine Knie, meinen eigenen Oberkörper, dann wieder meine Knie. Ich sitze irgendwie unstabil da. Mein Körper ist unbequem. Wie eine Haut, die ich längst hätte abwerfen müssen. Eine Haut, die nur noch zittern kann, seit Patrick mich geküsst hat.
Es umgibt mich wie eine Blase.
Ich habe noch nie zuvor einen Jungen geküsst.
Okay, flüstere ich mir zu. Okay.
Ein erstes Mal. Es gibt immer ein erstes Mal. Es ist keine große Sache. Auch wenn es ausgerechnet Patrick war.
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Weg vom Fenster - #Kürbistumor
FanficNachdem die Drogenabhängigkeit seiner Brüder herauskommt, will Manu eigentlich nur bei seiner Familie sein. Doch genau die verbannt ihn, in ein kümmerliches Fischerdorf am Arsch der Welt, zu seiner Tante. Sein einziger Lichtblick: Der Junge von nebe...