Überwindung

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POV: Manu

Heute Nacht hat es geregnet. Beschissen, weil ich meine Wäsche draußen aufgehängt hatte.

Besonders beschissen, weil die einzigen trockenen Klamotten, die ich jetzt habe, das hässlichste Outfit ergeben, das ich je gesehen habe. Zu kleines Shirt, zu große Hose, in nicht zusammenpassenden Rottönen. Ich will nicht eitel sein, aber bei dem Gedanken, so meinen ersten Schultag zu erleben, versinke ich im Boden.

Ich hatte gehofft, das Wochenende würde stressfreier sein. Schließlich muss ich da nicht darüber nachdenken, dass ich eigentlich in der Schule sein sollte. Aber das Gefühl ist nicht verschwunden. Und jetzt ist wieder montagfrüh, und diesmal bin ich verabredet.

Hannah merkt, wie nervös ich bin, während ich mir Müsli ins Gesicht schaufele.

"Ist etwas los?", fragt sie.

"Patrick fährt mich zur Schule."

Sie scheint nicht zu wissen, ob sie mir Mitleid oder Zuversicht zeigen soll. "Und?"

"Und ich seh scheiße aus."

Sie tut vergeblich so, als würde ihr das erst jetzt auffallen.

"Willst du was von mir haben? Ich hab unten noch eine alte Lederjacke."

Ich betrachte sie. "Und du glaubst, die passt mir?" Es kommt viel boshafter raus, als es in meinem Kopf geklungen hat.

Man sieht den Stich, den ihr das versetzt, und sofort tut es mir leid. Aber ihre Stimme beim antworten ist ganz ruhig: "Ich war nicht immer so dick. Wenn ich dir etwas anbiete, dann ist es auch etwas, was für dich funktionieren wird. Du kannst dich jetzt entscheiden, ob du meine Hilfe annimmst, oder dich lieber in deinem Leid suhlen willst. Wenn du bereit bist, das Beste aus deiner Situation zu machen, sag Bescheid. Ich bin immer bereit."

Mir bleibt der Mund offen stehen.

Ich will Hannah nicht nett finden. Ich will nicht zur Schule. Aber die Jacke ist mir nur ein kleines bisschen zu groß, und wenn ich sie trage sieht man eigentlich gar nicht, dass sie für Frauen geschnitten ist. Hannah steht hinter mir, während ich mich im Spiegel betrachte, und nickt zufrieden. Sie hat Recht. Wenn ich mich jetzt nicht überwinde, werde ich es nie schaffen.

Ich blicke auf mein Handy, bevor ich es einstecke. Mama hat mir noch immer nicht geschrieben, und meine Brüder genausowenig. Mit zusammengebissenen Zähnen greife ich nach der Türklinke und trete nach draußen.

Ich will vor Patricks Haustür auf ihn warten. Doch kaum bin ich nach draußen getreten, sehe ich sein Auto ohne mich davonfahren.


Weg vom Fenster - #KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt