POV: Patrick
Robins frostige Stimmung liegt über dem breiten Bett in ihrem Zimmer wie eine Fessel. Ich bin krampfig, und mein Arm, auf dem ihr Kopf liegt, ist längst taub. Ich verberge die Tatsache, dass ich hibbelig bin.
"Süße", versuche ich es noch einmal, leiser, sanfter.
"Was?" Ihr Ton bleibt aggressiv.
"Es tut mir wirklich leid. Ich dachte, dass das kein Problem ist, weil Manu ein Kerl ist, aber-" Sie unterbricht mich.
"Es juckt mich nicht, dass du Manu geküsst hast, okay? Mir gehts darum, warum du ihn geküsst hast. Und dass du das nicht zugeben kannst-" Sie klingt, als würde sie gleich heulen, und ich hab keine Ahnung, wovon sie spricht.
Ganz vorsichtig lasse ich die Frage heraus. "Was glaubst du denn warum ich Manu geküsst habe?"
Sie dreht sich in meinem Arm um und starrt mit eisernem Blick zu mir hoch. "Checkst du es echt nicht?"
Ich lege meine ganze Ehrlichkeit in mein Ja. Robin merkt eigentlich immer, wenn ich mich verstelle. Nur langsam weicht die Wut aus ihrem Blick und macht tiefem Groll Platz.
"Erklärst du es mir?", frage ich vorsichtig.
"Du hast ihn geküsst, weil du nicht wolltest, dass er Vanessa küsst."
"Warum sollte ich das nicht wollen?" Ich ziehe sie vorsichtig weiter an mich, und endlich senkt sie den Kopf.
"Weil du auf Vanessa stehst."
Ich verkneife mir das Seufzen. "Tue ich nicht. Ich liebe dich. Und Vanessa ist mir nie auch nur aufgefallen."
Ich sehe, dass sie sich das Weinen verkneift. "Warum hast du Manu dann geküsst?"
Mein Kopf fängt langsam an zu glühen. "Er ist neu. Ich wollte ihn nicht einfach irgendeinem Mädel überlassen, das er nichtmal kennt. Letztendlich sind wir zwei Männer, das ist viel weniger unangenehm. Was ist da schon dabei?"
Sie nickt und nuschelt eine Entschuldigung in mein Shirt. Ist zufrieden, weil es die Wahrheit war, auch wenn es sich nicht wie die ganze Wahrheit anfühlt.
Ich verbringe das Wochenende bei Robin und fahre am Montag mit ihr zur Schule, ohne Manu mitzunehmen. Ich denke nur kurz an ihn, als ich den Bus ankommen sehe, den er genommen haben muss, und mich kurz das Mitleid ausfüllt. Die nächsten zwei Tage vergehen, ohne dass ich ihm begegne. Vielleicht ist das auch gut so, denn wann immer sein Name in meinem Kopf auftaucht, sind der Kuss, und damit Vanessa und Robins Eifersucht, unweigerlich an ihn gekettet. Auch wenn sie sich entschuldigt hat, merke ich, dass die Sache sie immer noch quält.
Es ist nicht so, dass sie mich mit ihrer Eifersucht kontrollieren will. Sie weiß selbst, dass es ihre Schwäche ist, und ihre Verantwortung. Dass ich nicht einfach aufhören kann, mit anderen Mädchen zu reden, und dass es eine dämliche Erwartung wäre. Aber ich verstehe ihre Angst, immer wenn ich sie in ihr entdecke. Die Angst, etwas kaputt zu machen, zwischen sich selbst und jemand Anderem... auch wenn sie sich bei mir nicht in Form von Eifersucht äußert, weiß ich genau, wie sehr sie einen quälen kann. Und weil ich Robin liebe, will ich sie ihr nehmen wo immer ich kann.
Die Pausen verzichte ich darauf, Manu unter meine Fittiche zu nehmen, um ganz bei Robin sein zu können. So oft wie möglich beantworte ich Fragen nicht als Ich sondern als Wir. Wir. Wir beide, für immer, ohne dass du dir Sorgen machen musst. Ich will nicht, dass sie Angst hat, auch wenn ich mir bei meinem Gehabe vorkomme als hätte ich keinerlei Respekt vor mir selbst.
Wenn ich nicht bei Robin bin, bin ich joggen. Es tut gut, nirgendwo zu sein. Es lässt mich weniger denken, und ich denke gerne wenig.
Manu begegne ich erst wieder, als ich ihn am Montagabend zum Chor abhole.
Ich zupfe mein Haar zurecht, bevor ich nach drüben gehe. Unsere letzte Begegnung war dieser Kuss auf Robins Party.
Die Türklingel bei Hannah ergibt ein sanftes, kunstloses Leuten. Wie eine echte Glocke, kein mechanischer Lautsprecher. Manu öffnet in einem großen weißen Wollpullover und einer weiten Jogginghose. Schön, weich und unvorbereitet.
Ich winke mit meinem Autoschlüssel. "Chor. Komm zu mir ins Auto, wenn du bereit bist."
Er schaut zur Seite. "Sorry, ich komm nicht mit."
"Was? Wieso?" Ist er wütend wegen des Kusses?
Er zuckt mit den Schultern. "Dafür müsste ich mich umziehen."
Meine Brauen ziehen sich zusammen. Das ist kein Grund. Und wenn er jetzt nicht mitkommt, wird es immer akward zwischen uns bleiben. "Musst du nicht. Und wenn du willst, dann mach. Du hast Zeit."
Er starrt mich mit diesem harten Blick an, der bewirken soll, dass ich nachgebe ohne weitere Fragen zu stellen. Ich lasse nicht los. Bleibe in der Tür stehen wie ein Mann mit einer Mission. Er seufzt. "Patrick, ich kenne da niemanden."
"Du kennst mich."
Er sieht mich genervt an. "Du weißt, was ich meine. Die kennen mich nicht, ich bin ein Fremder und kann keine der Gesangsstimmen. Was soll ich da?"
"Die müssen dich nicht kennen. Du bist letztes Mal doch auch nicht aufgefallen. Ich bring dir deine Stimme im Auto bei. Komm schon, Manu. Wenn du willst, gehen wir zusammen hoch und suchen dir ein Outfit raus."
Ich sehe ihm an, dass er nicht nachgeben will, aber er tut es. Es wird sich lohnen, sobald er in der Kirche ist.
Er lässt mich an seinen Schrank und tritt einen Schritt zurück. "Ich will nicht auffallen."
Es ist leicht, zuzuordnen, welche Kleidung ihm selbst gehört, und welche Hannah ihm geliehen hat. Lässige, getragene Sachen, die er eindeutig von seinen Brüdern übernommen hat, gegen saubere, weiche, selbstgestrickte Pullover. Beides steht ihm. Ich greife eine Skinnyjeans heraus, ein Tanktop und eine dunkelrote, in groben Maschen gestrickte Jacke mit einem weichen hohen Rollkragen. Er greift mit schmalen Lippen danach. Ich drehe mich weg, als er sich umzieht, aber er achtet nicht sonderlich darauf. Mir ist seltsam bewusst, dass er halb nackt ist, während ich die Kleidung hinter mir rascheln höre. Ich drehe mich zurück zu ihm, als er angezogen vor dem Spiegel steht. Er sieht ein bisschen ruhiger aus. Die Jeans ist enger als ich dachte. An mir würde sowas zu feminin wirken, aber an Manu fällt es nicht auf. Es sieht bloß gut aus. "Bereit?"
Er nickt langsam.
"Dann komm. Keine Sorge."
Er folgt mir. Als im Auto die Tür hinter ihm zuschlägt, sieht er mich von der Seite an.
"Warum wolltest du mich unbedingt überreden?"
Ich umgreife das Lenkrad. "Du hättest es bereut, wenn du nicht mitgefahren wärst."
Er hält meinen Blick. "Das stimmt, aber warum interessiert dich das?"
"Weil ich ein netter Mensch bin." Es klingt hart. Kurz weiß ich nicht warum, dann erkenne ich, woran es liegt. Es liegt daran, dass ich stattdessen auch hätte sagen können "Weil ich dich mag".
Na? Wie groß stellt ihr euch die Figuren vor?
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Weg vom Fenster - #Kürbistumor
FanfictionNachdem die Drogenabhängigkeit seiner Brüder herauskommt, will Manu eigentlich nur bei seiner Familie sein. Doch genau die verbannt ihn, in ein kümmerliches Fischerdorf am Arsch der Welt, zu seiner Tante. Sein einziger Lichtblick: Der Junge von nebe...