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POV: Manu

Alle drei Züge, die ich zu Hannah brauche, sind pünktlich. Zwei Mal steige ich an leeren Bahnhöfen um. Es fühlt sich so komisch an, dass noch immer November ist.

Ich bin das reinste Chaos. Es fühlt sich an, als würde mein Kopf sich selbst andauernd zwischen Sprachen hin- und her übersetzen, die ich alle nicht spreche.

Meiner Familie geht es besser als ich es mir ausgemalt hätte. Der Entzug zehrt an meinen Brüdern, aber im Gesicht sieht man es ihnen kaum an. Wir haben Brettspiele gespielt, und Mama war distanziert zu mir, aber dankbar, als ich abends gekocht und die Küche geputzt habe. Sie sah aus, als hätte sie lange nicht geschlafen.

Aber psychisch hat man es ihnen angemerkt. Als hätten sie eine Wut in sich, die sie nur zu 90% verbergen können, und von der ich nicht weiß, ob sie sich gegen mich richtet. Manchmal, nach einem schlechten Würfelwurf, haben sie auf den Tisch geschlagen, so hart, dass es mir kurz Angst gemacht hat. Aber vielleicht war ich zu schreckhaft.

Die Entzugsklinik ist kein schöner Ort. Ich habe sie nur von außen gesehen, aber das hat gereicht. Sie ist ein einziger verzweifelter Versuch, Sucht sorglos aussehen zu lassen. Und in jedem bunten Kalender, in jedem Fenstersticker, in jedem drogenfreien Partyangebot scheitert er ein wenig mehr.

Aber vielleicht musste ich das sehen, um verstehen zu können, wie gut ich es in Shaftesbourne habe. Hannahs Wohnzimmer gegen die Mensa neben der Klinik, oder gegen unsere unaufgeräumte Küche, in der sich schmutzige Teller in der Spüle stapeln. Das warme Gebäck gegen die Fertiglasagnen aus der Mikrowelle. Patrick gegen die süchtigen, hilflosen Creeps, mit denen meine Brüder sich jetzt herumschlagen.

Wieder rattert der Zug unter mir, und wieder fühle ich alles und nichts zugleich, wie als ich das erste Mal hier hergefahren bin. Ich bin dankbar, dass ich zurück kann. Ich will nicht zurück. Ich will bei meiner Familie bleiben, aber ich würde es nie durchhalten. Ich schäme mich dafür, dass ich es so gut habe, und dass ich mich schäme, statt das zu genießen. Sollte ich es genießen? Hat man ein gutes Schuljahr, während man Brüder in einer Entzugsklinik hat? Ist das erlaubt?

Ich verstehe nun zumindest, was Mama meinte. Shaftesbourne ist meine einzige Chance, normal zu sein. Vielleicht muss ich in Shaftesbourne normal sein, um in Essen für meine Brüder da sein zu können. Vielleicht zehrt es mich sonst genauso aus wie sie.

Unruhig suche ich nach einem Podcast und starre aus dem Fenster.

Ich werde normal sein. Ich werde in Shaftesbourne leben als sei es Urlaub. Als sei nichts Schlimmes zuhause passiert. Es ist der einzige Weg, das Beste aus allem zu machen.






Na ihr?

Sorry, dass in diesem Veröffentlichungs-Chunk so wenig passiert ist, aber ruhigere Kapitel müssen auch mal sein... gerade, weil es in den nächsten paar Kapiteln richtig abgehen wird. Ihr dürft gerne schon raten, was passiert.

Dieses Kapitel hier enthält übrigens meinen absoluten Lieblingssatz in der ganzen Fanfiction, auf den ich beim Lesen jedes Mal stolz bin. Kann jemand erraten, welcher es ist? Tipp: Es ist ein sehr simpler Satz. 

Weil sich das zwei von euch gewünscht haben, habe ich jetzt angefangen, an meiner Zomdado-Fanfiction zu arbeiten. Sie wird vermutlich sehr viel Tiefe auf die Themen Musik und Transgeschlechtlichkeit verwenden, aber ich finde das nicht schlimm, weil diese Themen in der Fanfiction-Welt ja eher under-explored sind. Ansonsten wird es eine klassische Enemies-to-Lovers-Internats-Mobbing-Fanfiction mit all den geliebten Klischees. Was haltet ihr davon?

Apropros Transgeschlechtlichkeit: Ratet mal, wer heute seine Termin-Bestätigungen für eine Geschlechtsinkongruenz-Diagnose bekommen hat? Hat lange genug gedauert... aber jetzt rollt der Ball hoffentlich mal.



Weg vom Fenster - #KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt