Kapitel 36: Noah

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"Ich hab einfach verdammte Angst dich zu verlieren, denn so langsam fange ich an das alles zu kapieren. Liebe und so..."

So hatte ich das alles nicht geplant. Eigentlich hatte ich überhaupt keinen Plan gehabt und auch noch nicht vorgehabt dieses große Wort laut auszusprechen. Liebe. Nur der bloße Gedanke daran löste in meinem Kopf ein totales Chaos aus und ich bekam genau dieses nicht geordnet, aber seit einer Weile hatte ich bei Colin einfach keinen Filter mehr und oft reichte ein Blick von ihm und ich hatte das Gefühl ihm einfach alles sagen zu können. Ich verspürte bei ihm diese Sicherheit und wollte diese Ehrlichkeit in unserer Beziehung. Wir würden nicht wie meine Eltern enden. Ich wollte nicht diese Lügen mit denen sie so lange gelebt haben.

Seit dem Abend an dem mir Colin davon erzählt hatte, das Julia wahrscheinlich im nächsten Schuljahr an eine Schule in Köln gehen würde, hatten sich diese Gedanken und die Angst ihn zu verlieren in meinem Kopf eingenistet wie ein richtig fieser Parasit und ich wurde diese Angst einfach nicht los, egal wie oft ich mir einredete, dass es keinen Grund für ihn gab nach Köln zu gehen. Colin wollte kein Schauspieler werden, also brauchte er auch keine Schule mit dem Schwerpunkt auf solchen Dingen. Was an mir nagte, war der Gedanke, dass die beiden meistens alles gemeinsam machten, also warum auch nicht gemeinsam die Schule wechseln? Sie war seine beste Freundin und einer der wichtigsten Menschen in seinem Leben.

Kaum waren wir im Wald angekommen, hatte ich dieses Gespräch über Köln von selbst begonnen, denn hier fühlte ich mich am wohlsten und schon viele wichtige Momente unserer Freundschaft und Beziehung waren in diesem Wald passiert. Hier hatten wir unseren ersten richtigen Kuss, bei dem ich zum ersten mal nicht weggelaufen bin. Hier hatte auch unsere Beziehung begonnen. Hier hatte ich plötzlich den Mut dieses eine Wort laut auszusprechen. Es hatte mir immer Angst gemacht und die Vergangenheit hatte mich bei dem bloßen Gedanken daran immer versucht zu kontrollieren. Viel zu lange hatte ich nur negative Erfahrungen damit gemacht. Liebe. Liebe machte doch immer alles kaputt, aber jetzt vielleicht endlich nicht mehr.

"Was willst du denn jetzt damit sagen? Was hast du denn kapiert?" Seine Stimme war so ruhig und voller Hoffnung. Ich war so nervös und fühlte mich hundeelend, denn ich fand einfach keine richtigen Worte. Das hier durfte ich nicht versauen. Ich musste mich öffnen. Colin war mein Freund und der wichtigste Mensch in meinem Leben. Ohne ihn fühlte ich mich einfach nicht mehr komplett. Würde ich jetzt einen Rückzieher machen, würde ich ihn wieder enttäuschen und das wollte ich nie wieder tun. "Noah? Hast du deine Stimme verloren?" Er riss mich aus meinen Gedanken. Er sah besorgt aus und auch ein wenig nervös. Er hatte deutlich Angst vor einer erneuten Zurückweisung. Mein Blick fand seinen. Wieder einmal könnte ich mich in seinen Augen verlieren, aber ich musste jetzt mutig sein und konnte keine Ablenkung gebrauchen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals und alles in meiner Brust fühlte sich zu eng an. War das ein Herzinfarkt oder drohende Ohnmacht?

"Nein... also... ich meine ich kann noch reden. Ich weiß nur nicht..." Ich stockte, fand wieder keine Worte. Colin sah mich ermutigend an. Er sah wie ich diesen Kampf mit mir selbst kämpfte. Als er meine Hand berührte, macht mein Herz einen kleinen Hüpfer. Wärme durchflutete meinen Körper und ich fühlte mich sicher und geborgen. Es war der Schritt, auf den ich gewartet hatte. Immer wenn er mich berührte durchflutete mich genau dieses Gefühl und legte sich über mich wie eine warme Decke.

"Du weißt nicht wie du anfangen sollst?" Wieder einmal war er es, der den Anfang machte. Ich konnte nur nicken, denn er hatte mit dieser Frage genau ins Schwarze getroffen. Er lächelte sanft und trat einen Schritt näher an mich heran. "Dann lass mich den Anfang machen." Sanft legte er eine Hand an meine Wange und sah mir fest in die Augen. Dieser Blick. Diese Augen. Mein Herz schlug einen Salto nach dem anderen. "Niemals werde ich dich verlassen." Flüsterte er nach einem kurzen Augenblick der Stille. Es waren meine Worte von vor ein paar Tagen. Er hatte sie also doch gehört. Da Colin eingeschlafen war, war ich mir bis zu diesem Moment nicht sicher gewesen ob er es wirklich gehört hatte. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ich wusste, dass er die Wahrheit sagte. Colin war von Anfang an immer ehrlich zu mir gewesen, auch wenn ich diese Ehrlichkeit ganz am Anfang nicht an mich ran lassen wollte. Er hatte mir nie etwas vorgespielt. Auch mit seinen Gefühlen war er immer ehrlich und offen gewesen. Bei unserem Streit an diesem einen verdammten Morgen, hatte er mir sogar gestanden, dass er in mich verliebt sei. Ich war so voller Angst gewesen und so überfordert mit allem, dass ich das alles nicht so richtig realisiert hatte. Es war wie ein Tunnelblick gewesen. Ich hatte nichts mehr mitbekommen und war total in meinem eigenen Film gewesen. Jetzt, mit all den Erkenntnissen, die ich in den letzten Wochen hatte, bereue ich nichts mehr als diesen einen Morgen. Ich hatte Colin so sehr verletzt. Noch immer konnte ich sein trauriges Gesicht sehen und wie in ihm etwas zerbrach, wenn ich an diesen Tag dachte. Der bloße Gedanke daran fühlte sich an wie ein heftiger Schlag in den Magen. Wieder drückte er meine Hand sanft und holte mich damit zurück in die Realität, weg von all den negativen Erinnerungen. "Warum sollte ich dich verlassen? Weißt du eigentlich was es für ein langer Weg war bis zu diesem Moment hier mit dir? Wir haben Himmel und Hölle hinter uns. Es war nicht immer leicht dich zu mögen, besonders ganz am Anfang, aber ich war nie bereit dich aufzugeben. Irgendwas hat mir immer gesagt, dass du und ich... dass das was besonderes sein könnte. Damals dachte ich noch die Freundschaft, aber jetzt weiß ich es besser. Julia ist meine beste Freundin, aber du bist mein Freund und ich kann mir nicht vorstellen ohne dich zu sein. Wenn ich irgendwohin gehe, dann nur mit dir."

Stay... | Wenn ich weiß, was Liebe ist, dann nur wegen dir... || NolinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt