harveyIch lockerte meine Krawatte und hätte beinahe die Augen verdreht, als der zehnte Sponsor an diesem Abend auf die Bühne trat und uns mit einem Zahnpasta- Lächeln entgegen lächelte. Es wurde langsam langweilig. Nicht nur sah jeder von ihnen gleich aus- nein, sie redeten auch einfach den selben Scheiß.
»Harvey.«, murmelte meine Mutter ermahnend, doch ich konnte bloß mit den Schultern zucken.
Sie konnte mir nicht ernsthaft vormachen, dass ihr dieses Gerede gefiel. Cole verkniff sich bloß sein elendiges Lachen neben mir und exte den goldenen Champagner in einem Zug.Ich wollte es ihm gleichtun, bis mir auffiel, dass mein Glas bereits leer war. Fuck.
Es würde ein viel zu langer Abend werden.Ein kühler Wind wehte auf dem Rooftop des Wolkenkratzers, auf dem wir uns aktuell für eine Spenden Gala befanden.
Es war die dritte dieser Woche. Ich verstand allmählich, wieso mein Vater meiner Mutter mit unschuldigem Ausdruck erklärt hatte, er hätte noch zu viel im Büro zu erledigen, und könnte uns deswegen auf keinen Fall begleiten. Deswegen war ich also hier. Das nächste Mal brauchte ich eine ähnliche Ausrede.»Harv« Cole stupste mich mehrmals von der Seite an, mein Blick flog flüchtig zu ihm. Wenn ich jetzt das Wort erhob, drehte Mom endgültig durch.
»Harv«, meinte er nochmal, eine deutliche Spur eindringlicher. Einige Gäste guckten auffällig in unsere Richtung.
»Was?«
»Ich habe etwas interessantes rausgefunden.«
Er grinste breit- so wie immer. Und warum wirkte es schadenfroh?»Und das wäre?«
»Harvey. Psst.«
»Die kleine Kellnerin aus dem Restaurant...«, flüsterte er jetzt und sagte danach an meine Mutter gerichtet: »Sorry, Miss Bishop. Wir müssen mal kurz... äh... verschwinden. Es ist ganz wichtig.«
Bevor sie etwas erwidern konnte, hatte er mich einfach gepackt und aus der Menge gezogen.Wir gingen in Richtung des üppigen Buffets und Cole warf sich einige der angerichteten Lachsschnitten in den Mund. »Das ist der einzige Grund, wieso meine Eltern mich noch zur Repräsentation der Familie auf all diese Events schleppen können. Das Essen ist so verdammt gut.«
»Cole?«
»Ja?«
»Du wolltest mir etwas erzählen. Erinnerst du dich?« Ich lehnte mich an eine Wand aus Beton und ließ meinen Blick über die glitzernde Skyline schweifen. Die Lichter von New York erinnerten mich manchmal an Sterne. Ein Himmel voll von Möglichkeiten, die diese Stadt bot. Selbst der Lärm schien hier oben sanfter.
»Ach ja. Also, die Kellnerin... Sloane.«
Überrascht blickte ich ihn an. »Sloane?«
»Das ist ihr Name.«
»Wie hast du das rausbekommen? Es hat nicht mal zwei Tage gedauert.«
»Du hast gesagt, du willst ihren Namen wissen, also habe ich ihn für dich rausgefunden.«
Bevor ich etwas erwidern konnte, hob er die Hände und sagte:»Okay, okay- schau mich gar nicht erst
so an. Ich bin ihr heute aus purem Zufall begegnet.«»Warst du wieder im Restaurant?«
Cole zündete sich eine Zigarette an, sah sich kurz absichernd um, und nahm dann einen tiefen Zug.
Er atmete erleichtert auf, als hätte er das Nikotin ernsthaft gebraucht. Rauch erhob sich in den Himmel. »Nein. Ich war bloß in der Schule.«
Sein Grinsen wurde noch breiter als zuvor.»Sie geht nach Springfield?« Das überraschte mich.
Die Kosten der Schule waren riesige Summen und selbst wenn sie ein Stipendium hatte, bestand wahnsinniger Druck wegen exzellenten Noten.
Dabei arbeitete sie spät abends- wie konnte das also zusammenpassen?»Es sieht ganz danach aus. Ich habe sie heute in unserer Freistunde gefunden. Sie saß allein unter einem Baum. Hat mir vorgemacht, dass sie für einen Test lernt oder so. Sie ist eine verdammt schlechte Lügnerin.«
»Wieso saß sie alleine unter einem Baum?«
»Keine Ahnung. Scheiße- es sah so aus, als hätte sie richtig Angst vor mir.« Er lachte, fuhr sich über das kurze Haar und nahm wieder einen langen Zug. »Bitte lass mich in Ruhe. Ich will keinen Ärger. Das hat sie gesagt.«
»Sie will keinen Ärger...« Ich musste schmunzeln.
»Also- was sagst du?«
»Zu Sloane?«
»Ganz genau.« Tosender Applaus erklang im Hintergrund. Gott sei Dank hatte diese Tortur bald wohl ihr Ende. Ich konnte es kaum abwarten, endlich abzuhauen.
»Ich werde vielleicht nochmal ins Restaurant gehen. Einfach mal so.«
Coles Blick war mörderisch, als er die Arme vor der Brust verschränkte und fragte:»Einfach so?«
»Verdammt, ja. Ein kleiner Spaß.«
•
Der restliche Teil des Abends verging zum Glück einigermaßen schnell und ich konnte es ertragen, mir das weitere Gerede irgendwelcher Sponsoren zu geben. Cole hatte sich einfach verpisst und nach einiger Zeit einfach sämtliche Lachsschnitten aufgegessen. Die kunstvoll angerichteten Häppchen auf beiden Platten waren jedenfalls weg.
Nachdem meine Mom später entschieden hatte, dass wir lange genug mit unserer Anwesenheit eine Pflicht erfüllt hatten, kam ihr Fahrer, um sie abzuholen.
Cole und ich fuhren stattdessen einfach weiter.
Es gab einfach nichts besseres, als New York bei Nacht. Der Verkehr war absolutes Chaos, aber mit unseren Motorrädern machte es doppelt so viel Spaß, sich hinein zu stürzen.Ab und zu lieferten wir uns Wettrennen und als auch einige andere aus unserer Gruppe dazu stießen, machte es verdammten Spaß. Am Ende konnte ich nicht mehr zählen, wie oft jemand von uns aggressiv eine Hupe oder Beleidigung zu hören bekam, aber so war nun mal der Verkehr der Stadt. Niemand nahm Rücksicht, alle wollten bloß ihr Ziel erreichen.
Nachdem wir uns durch einige von Manhattan's vollsten Straßen gekämpft hatten, erreichten wir das Penthouse eines Typen vom Football, der für eine gegnerische Mannschaft spielte. Nicht nur sein eigenes Team war anwesend, sondern auch Leute von uns.
Es gab einige Drinks von ihm und ich ließ mich einfach auf ein Sofa fallen. Der Bass von einer Anlage ließ den Boden vibrieren.
Jeder Raum wurde von Lachen oder Stimmen gefüllt. Ich lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen, während ich einen Schluck trank.
Es war keine Absicht, als Sloane vor meinem Inneren Auge auftauchte. Sloane und ihr braunes Haar, die dunklen Augen und ihr Lächeln mit den Grübchen. Damit hatte sie uns kein einziges Mal angeguckt. Aber ich konnte es ihr nicht übel nehmen.
Laut Cole hatte sie Angst vor uns...
Das ließ mich schmunzeln.
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Until you are mine
RomansaSloane tut alles dafür, um an der Springfield Academy nicht aufzufallen. Sie fühlt sich gerade erst in New York angekommen, und so wäre Drama an der Privatschule das allerletzte, was sie sich leisten kann. Denn zu tief sitzen die Schmerzen ihrer Ver...