38. Im Schatten der Insektenschwärme

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POV Anella:

Aden pflanzt den Kern der außer weltlichen Frucht sogleich in seinen Wintergarten, auch wenn er nicht weiß, ob er bei diesem Wolkenhimmel je aufgehen, frage denn gedeihen wird.

Am liebsten würde ich ja heute hierbleiben. Die Zeit mit meinem Vater ist vergangen wie im Flug und es fühlt sich an, als würden wir uns schon ewig kennen. Ich weiß jedoch auch, dass Kuno recht hat und wir vielleicht lieber einmal diese Nacht abwarten sollten. 

Er wird uns dann morgen durch die Hilfe des, mit diesem Ort verbundenen Wassers verständigen, das er uns aus seinem Brunnen am Haus mitgegeben hatte. Er meinte, wenn es am nächsten Tag unruhig ist, sollten wir abwarten, wenn es jedoch still bleibt, können wir getrost kommen, da es mit dem Wasser bei ihm verbunden ist.

Als wir uns verabschieden ist Aden den Tränen nahe und ich sehe, wie er nach wie vor dabei ist die Tatsache zu realisieren, dass er plötzlich eine Tochter hat. Vielleicht ist es ja auch ganz gut, dass wir ihn für heute alleine lassen. Er hat bestimmt eine Menge zu verarbeiten, genau wie Kuno und ich vermutlich auch.

Es war ja für alle sehr aufwühlend heute. Das merke ich auch daran, dass wir im Auto beide ziemlich schweigsam sind und unseren eigenen Gedanken nachhängen. Die Müdigkeit legt sich über uns und ich bin froh, als wir in der Unterkunft in unserem Bett liegen. Eng in Kunos Arme gekuschelt schlafe ich ein, oder besser gesagt, ich versuche es. 

Kunos laut ratternder Verstand hält mich ein wenig davon ab und vermischt sich auch noch mit meinen eigenen Gedanken. „Kannst du nicht schlafen?", will ich nach einer Weile wissen, in der ich seinem Atem lausche und merke, dass er kein bisschen ruhiger wird.

Kuno unter mir bewegt sich und ich spüre, wie er sein Gesicht zu mir nach unten neigt. Sein warmer Atem in meinem Haar „Du ja auch nicht, wie mir scheint." Ich schmunzele. „Stimmt. Zu viele Gedanken." 

„Und woran denkst du?" 

„Ich weiß es nicht so genau. Ich bekomme es nicht wirklich zu fassen, aber es sind vor allem die heutigen Eindrücke, die sich immer wieder in meinem Kopf abspielen und bei dir?"

Kuno antwortet nicht, stattdessen zieht er mich nur noch fester an sich und haucht einen Kuss in meinen Scheitel. Aus irgendeinem Grund weiß ich, dass er es mir nicht sagen wird und als ich ihn ansehe, ahne ich auch warum.

Im nächsten Moment haben sich unsere Lippen gefunden und verfallen in einen sehnenden Kuss, der sich bald auch auf andere Ebenen ausbreitet und unsere Körper und Seelen miteinander vereinen lässt.


***


„Ich habe mich heute Nacht im Traum mit Niall und Oisín auf dem Steinkreis getroffen und ihnen das erzählt, was wir besprochen haben. Zu dem geteilten Stein habe ich gesagt, dass er mir runtergefallen und zerbrochen ist und ich die andere Hälfte nicht mehr finden konnte", erzählt Aden, als wir ihn am nächsten Tag wieder besuchen.

„Und haben sie dir geglaubt?", kommt es in angespannter Nachdrücklichkeit von meinem Freund. Anscheinend beruhigen ihn diese Worte nicht annähernd. „Ich denke schon." Kunos Augen verengen sich misstrauisch.

„Ich hoffe, du bist im Lügen besser als deine Tochter." Er wirft mir einen kurzen, vielsagenden Blick zu, der diese Beleidigung jedoch mit seinem liebevollen Ausdruck darin sofort wieder wettmacht, da er mir zeigt, dass diese Worte nicht böse gemeint waren.

Ich beiße mir ertappt auf die Lippen. Er hat ja recht. Mit meinen Schwindelkünsten ist es wirklich nicht so weit her.

Auch Adens Blick ruht nun auf mir. „Ich denke nicht, dass sie etwas bemerkt haben. Auch, weil sie sich ja keinen Grund erklären könnten, weshalb ich den Stein sonst absichtlich geteilt haben könnte. Sie meinten beim Abschied dann auch ‚Bis nächste Woche', das lässt mich vermuten, dass sie mir glauben und ihren gewohnten Rhythmus weiterverfolgen."

Tanz mit dem Morgentau - Das Geheimnis der Tränen ~ Band 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt