Achtzehn Briefe an Niall

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Der Zug war mehr oder weniger leer, als Niall ihn betrat. Er setzte sich an einen Fensterplatz, im gegenüberliegenden Gang war eine alte Dame die mit einem IPad rumhantierte. Es war einfach, an seiner Security und seinen Managern vorbezukommen, er sagte einfach, dass er ein paar Freunde und seine Familie besuchen würde, Liam schenkte ihm bei seiner Lüge nur ein reuevolles Lächeln.

Der Tag ist gekommen. Nachdem er monatelang wartete, würde Niall Charlie endlich sehen. Das war's, egal wie klischeehaft sich das anhörte.

Er hat seine Zeit abgewartet, sie beide hatten es, und heute würde er endlich die Chance haben, ihr all die Dinge zu sagen, die er dachte wenn er im Dunkeln ihre Briefe las. Heute würde er sie persönlich sehen, bei ihm wäre sie endlich sicher und er wird sie wissen lassen, dass sie geliebt wird. Heute wird er sie richtig kennenlernen können, heute wird er sie endlich in den Arm schließen können und ihr sagen, dass alles wieder ok sein wird.

Und es ist ja nicht so als wäre er ihr Ritter in der Not. Er wollte nicht einfach in ihr Leben eintreten und sie von ihren Dämonen befreien. Sie kann das alleine schaffen, und das wusste Niall. Sie war so stark, stärker als jedern den Niall je kannte, und wahrscheinlich musste er sie eher das wissen lassen. Das musste er ihr sagen, dachte Niall als er das abgenutze Päckchen mit den Briefen herausholte und die letzten vier Briefe rausholte, die er sich bis zu diesem Zeitpunkt aufbewahr hatte.

Denn, nachdem er alles über ihr Leben wusste, nachdem Charlie ihn ausgewählt hatte, um von allem zu reden; dachte Niall nicht einmal, dass sie schwach ist.

Lieber Niall,

Die Dinge werden schlimmer. Sie werden wirklich, wirklich schlimm und ich - ich weiß nicht mehr was ich machen soll. Fran und ihre Freundinnen reißen mich langsam auseinander. Meine Noten gehen den Bach runter. Die Lehrer - Sie verstehen's nicht. Sie verstehen einfach nicht, dass ich zu müde bin, um nach Hause zu gehen und noch mehr zu lernen und dass ich nachts nicht schlafen kann und deshalb müde im Unterricht bin. Können sie nicht sehen, dass es mir egal ist und dass ich weder die Energie, noch die Ruhe habe, mich um Dinge wie Hausaufgaben zu kümmern? Alles was sie tun, ist rumnörgeln und doofe Fragen stellen. Ich will dass sie aufhören. Bitte, einfach aufhören.

Die Einsamkeit ist trotzdem noch am schlimmsten.

Als ich klein war, war ich immer umgeben von Leuten. Ich weiß nicht, ob ich damals gut darin war neue Freunde zu bekommen - Jetzt bin ich es definitiv nicht- oder ob es einfach daran lag, dass ich jung war. und mit jedem sprach der zuhören würde, aber es war immer jemand zum spielen da. Immer jemand, der da war, ein bekanntes Gesicht oder Stimme, oder einfach nur jemand der neben dir sitzt. Meine Eltern fragten mich immer wie es mir ging und was ich an dem Tag gemacht habe, auch wenn sie den größten Teil ihrer Zeit meinen Eltern widmeten oder gerade dabei waren das Bad zu putzen oder so, sie hörten mir trotzdem zu.

Jetzt fragt mich niemand mehr nach sowas. Ich glaube, deswegen fing ich auch an, diese Briefe zu schreiben, hier kann ich einfach die unwichtigen Sachen aufschreiben, die mir am Tag wiederfahren sind, so fühlte ich mich etwas weniger einsam. Aber mein Leben ist traurig. Manchmal fühlt es sich gar nicht real an, eher wie eine tragische Geschichte, die sich irgendein Autor ausdachte.

Niall fragte sich, was sie wohl dachte, wenn sie wissen würde, dass er zuhörte. Würde es ihr besser gehen? Oder wäre sie noch mehr verängstigt? Als Charlie die Briefe schrieb, hat sie nie wirklich erwartet, dass er sie lesen würde. An der Stelle fragte Niall sich wieder, wie die Briefe zu ihm kamen.

Aber das ist es nicht - denn mein Leben ist leider real. Mein Leben ist schon seit einem Jahr so, und in der letzten Zeit habe ich das Gefühl, dass ich es nicht mehr weiterleben möchte. Ich will raus, ich will was anderes; irgendwas anderes als dieses beschissene Leben. Weißt du eigentlich wie sehr ich es mir wünsche, ein normales Mädchen zu sein, dass mit ihren Eltern wegen Klamotten, Ausgehzeiten und Hausaufgaben streitet, anstatt rumzusitzen und von deinem Sozialarbeiter dabei zu hören, was seiner Ansicht nach das beste dich ist?

Twenty one letters to Niall (Übersetzung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt