Neunzehn Briefe an Niall

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„Entschuldigen Sie, junger Mann, könnten sie mir bitte eben behilflich sein?"

Niall wurde aus seiner Trance gerissen, in der er noch eben gefangen war. Die alte Dame, die schräg gegenüber von Niall saß, blickte ihn fragend an.
„Gerne, wie denn?"
„Ich habe ein Problem mit diesem IPad Dingens, und dachte sie kennen sich vielleicht damit aus."
Niall lächelte und nahm sich das Ipad, das sie ihm hinhielt. Sie hatte wahrscheinlich um die 1000 Anwendungen geöffnet, kein Wunder also, dass es nicht perfekt funktionierte. Er schloss sie alle und überreichte ihr das Ipad wieder.
„Jetzt müsste es wieder gehen"
Sie lächelte ihm dankbar zu. „Sie sind ein netter Bursche. Und darf ich noch erwähnen, dass ich es großartig finde, dass sie Briefe schreiben? Ich finde, so ein Brief ist viel persönlicher als eine E-Mail auch wenn der Inhalt gleich ist. Wie oft habe ich schon den Abdruck einer Träne auf Briefpapier gesehen? Oder den Geruch des Absenders riechen können?" Ihre Augen gewannen einen glücklichen, vielleicht auch verträumten Ausdruck.
„Ich stimme ihnen zu. Es ist schön, mal Papier zwischen seinen Händen zu halten, an Stelle eines Handys"

Die Dame antwortete mit einem Nicken und Niall griff nach dem nächsten Brief. Der Neunzehnte. Danach würden nur noch zwei weitere folgen. Er würde erfahren wieso sie aufhörte.
Es wird einen guten Grund dafür geben, dachte Niall und fing an zu lesen.

Lieber Niall,

Wieso ist alles immer so schwierig? Wieso kann es nicht einfach für jedes Problem eine simple Lösung geben? Und f uck, wieso werden Probleme so ungerecht auf die Menschen verteilt? Manchmal, wenn ich viel Zeit zum Nachdenken habe (und das geschieht in letzter Zeit sehr oft), stelle ich mir vor, dass ich ein sorgenfreies und wundervolles Leben habe.

Eigentlich müsste ich Fran und ihre Freundinnen hassen, total verabscheuen, aber aus irgendeinem Grund kann ich das nicht. Weil ich bin mir ziemlich sicher, dass Fran irgendwie einsam sein muss. Ich glaube, sie weiß ganz genau, dass ihre Freundinnen nur aus Angst zu ihr halten, deshalb wird sie mit jedem Tag gemeiner und angsteinflößender.

Niall bewunderte, was für eine starke Person Charlie ist. Nach alldem was diese widerliche Fran und ihre „Freundinnen" ihr angetan haben, hat sie noch Verständnis.

Ach Niall, wäre ich nicht so einsam würde ich dich nicht mit all diesen Dingen nerven. Aber ich habe sonst niemanden mit dem ich reden kann. Früher glaubte ich immer zu wissen, dass alles einen Sinn hat. Dass es irgendeinen tiefgründigen Zweck gibt, wieso ich immer wieder alles verlieren musste.
Jetzt weiß ich's besser:
Es gibt keinen Grund. Es passiert einfach was passiert. Bleibt dann nur noch die Frage übrig, ob mein Leben noch lebenswert ist.

"Ja, ist es."
Niall hat sich zwar nicht allzu oft Gedanken über den Sinn des Lebens gemacht, aber er wusste, dass jedes Leben lebenswert ist. Es wird zwar immer Momente im Leben geben, in denen man merkt dass man nicht mehr kann und nicht mehr will. Aber noch in der selben Sekunde hast du den schlimmsten Teil doch schon überlebt.
Die Tatsache, dass er hier und jetzt ihre Briefe las, ist Beweis genug.

Es ist gerade halb drei morgens und morgen ist Schule. Aber ich kann nicht schlafen und ich will es nicht. Ich habe mittlerweile jede Nacht Albträume. Und sie fühlen sich immer so echt an, dass ich nicht unterscheiden kann, ob es Tag oder Nacht ist, jedes Mal wache ich schweißgebadet und zitternd auf.
Letzte Nacht träumte ich von Eliza, immer und immer wieder schrie sie mich an, dass es meine Schuld sei, dass sie wegen mir einsam sterben musste.
Und das schlimmste ist, dass ich weine, aber nicht nur weil die Schuld mich erdrückt, sondern auch weil ich weiß, dass mein Tod noch viel einsamer sein wird.

Mir ist aufgefallen, dass ich früher immer einen Stützpunkt in meinem Leben hatte. Ich erinnere mich, dass ich damals als ich so ungefähr neun Jahre alt war, an einem Malwettbewerb der Schule teilgenommen habe.
Ich war schon fast fertig mit dem Bild - es sah toll aus - doch eine Klassenkameradin schüttete aus Neid blaue Farbe über mein Bild und es war hinüber. Sie wurde zwar disqualifiziert, aber ich war trotzdem traurig und wütend. Als ich furchtbar enttäuscht nach Hause kam, hat meine Mum sofort erkannt, dass es mir nicht gut ging, und am selben Nachmittag sind wir beide ins Kino gegangen.

Und nachdem Mum und Dad gestorben sind, war Blake mein Stützpunkt. Danach die kleine Ruby und Alice.
Es war also immer irgendwie jemand da, der mir Kraft gab, aber jetzt sind alle weg. Wieso jetzt, wenn ich sie am meisten brauche?

Niall ich bin so müde, und damit meine ich nicht nur meine Schlaflosigkeit.

Alles Liebe,
Charlie ❤️

Niall schluckte als er diese Worte las. Würde er jetzt, in dieser Sekunde in der Lage sein, in der Zeit zu reisen, wüsste er nicht ob er in die Vergangenheit reisen und ihr helfen würden, oder in die Zukunft damit er schneller bei ihr ist.

Doch gibt es überhaupt noch eine Zukunft?

Oh Mann. Ja, ich weiß dass dieses Update so spät ist. Ja, ich habe Schuldgefühle. Aber das war schwieriger als ich dachte, ich musste alles noch mal ganz genau lesen um mich besser in die Story einfinden zu können, ich hoffe sehr dass mir das halbwegs gelungen ist, und ich hoffe dass ich ab jetzt schneller updaten werde,
Lots of Love,
Janette ❤️

Twenty one letters to Niall (Übersetzung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt