Twenty one letters to Niall (Übersetzung)

Zwanzig Briefe an Niall

Nervös nahm Niall den zwanzigsten Brief in die Hand. Noch nie hat er sich so unsicher gefühlt. Einerseits wollte er ihn unbedingt lesen, um zu erfahren was mit Charlie passiert ist, andererseits hatte er Angst.
Es darf einfach nicht schlecht ausgegangen sein, dachte Niall und faltete das Blatt auseinander.

Lieber Niall,
Woher ich die Kraft nehme, die ich brauche um diesen Brief zu schreiben, weiß ich nicht.
Wie lange ist es her, dass ich richtig geschlafen habe?
Wie lange ist meine letzte vernünftige Mahlzeit her?
Wann habe ich das letzte Mal einen klaren Gedanken fassen können?
Ich weiß es nicht.
Ich weiß es wirklich nicht.
In der Schule sind die Lehrer ratlos, ich war zwar nie eine der besten, aber meine Noten sind komplett im Keller. Hier im Heim ist Jade besorgt weil mir meine Kleider und meine Augenringe immer größer werden.
Aber mir ist es egal. Jeder Tag ist gleich, nach einer schlaflosen und von Albträumen geplagte Nacht stehe ich auf, mache mich fertig, gehe zur Schule. Danach komme ich zurück ins Heim, sitze vor Hausaufgaben, die ich nie erledigen werde und dann gehe ich ins Bett. Es ist, als wäre ich nur die Silhouette meiner selbst die durch den Schulflur schleicht und nur anwesend ist, weil sie es sein muss. Nur mein Körper ist anwesend, mein Geist ist irgendwo im nirgendwo.
Das einzige was ich noch fühle ist die Kraftlosigkeit. Kann man überhaupt etwas fühlen, dass nicht da ist?
Das Leben hat mit mir das selbe Spiel immer und immer wieder gespielt. Es nimmt meine Kraft, nur um ein Stück wiederzugeben, damit es mir sie wieder nehmen kann.
1:0 für dich. Du hast gewonnen. Ich bin nur noch eine Marionette der Existenz.

Niall zitterte. Er wollte nicht weiterlesen. Aber er musste.

Ich habe letztens in einer Zeitschrift gelesen, die im Gemeinschaftsraum lag, weil Jade mich drängte ich solle doch wieder was machen, und vielleicht steht da etwas über One Direction drin.
Tatsächlich war da ein Artikel über euch, es ging um euer nächstes Album.
Es ist lächerlich, so lächerlich, aber trotz all der Dinge, die mir passierten, bist du mir nicht egal. Ich glaube das liegt daran, das ich dich nicht verlieren kann, weil ich dich ja nie hatte. Das gibt mir irgendwie Sicherheit, weil ich weiß, dass ich so nie einen weiteren Verlust durchmachen muss.
Ich bin in letzter Zeit so unaufmerksam. Gestern musste ich in der Schule aufs Klo, und auf dem Weg zur Toilette rempelte ich Fran an. Es hätten hunderte andere Schüler sein können, aber nein, bei meinem Glück rannte ich gegen Fran, die daraufhin auch noch ihren Saft verschüttete. Ich glaube sie hätte mich fast vergessen, weil ich aufpasste ihr so selten wie möglich zu begegnen damit sie mich nicht mehr wahrnimmt.
Naja, das war somit beendet. Sie packte mich grob am Arm und zerrte mich brutal ins Wc. Sie ist so viel größer und stärker als ich, meine Versuche mich zu währen waren lächerlich.  Sie nannte mich „dumme Schlàmpe" und drückte meinen Kopf immer wieder ins Klo. Nachdem sie ging blieb ich noch da und wartete bis der Unterricht wieder anfing bevor ich rauskam, den restlichen Tag schwänzte ich. Ich fühlte mich so dreckig und schmutzig, und endgültig meiner Würde beraubt.
Es war wie im Film.

Niall ballte seinen Hände zu Fäusten. Nie war er so wütend gewesen, und wäre Fran jetzt hier- er könnte nichts versprechen.

Es ist so unfair Niall. So viele Kinder da draußen sterben bevor sie richtig leben konnten, obwohl sie ein perfektes Leben haben könnten.
Wenigstens haben sie jemanden der um sie trauert und sich an sie erinnert.
Würde ich sterben, wären ein paar aus dem Heim vielleicht kurz erschrocken und bedrückt, aber schon bald würden sie mich vergessen.
Ich habe nichts und niemanden mehr.
Ich bin alleine, Niall.

Alles Liebe,
Charlie ❤️
Niall bekam Bauchschmerzen als er das las. Er konnte es nicht mehr erwarten endlich beim Heim anzukommen. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass die Zugfahrt nur noch ca. eine halbe Stunde dauern wird.
Bitte Charlie, dachte er, halte durch.