Vierzehn Briefe an Niall

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"Ich kann einfach nicht das Hotel finden!", sagte Liam, während sich seine Stirn sich vor lauter Gedanken in Falten legte und er an seinen Fingernägeln kaute.

Niall drehte sich in seine Richtung und ein Schwall der Trauer überkam ihn. Liam sah aus, als würde er sich schrecklich fühlen, und der hat ja nichtmal die Briefe gelesen. Er zog es einen Moment lang in Betracht, sie ihm zum Lesen zu geben, aber schnell schob er diesen Gedanken beiseite. Noch nicht. Vielleicht irgendwann mal, dann würde er Charlie fragen können, und Liam könnte die Briefe lesen. Aber im Moment waren sie an ihn addressiert, nur für seine Augen bestimmt und für niemand anderen.

"Vielleicht- Hat sie irgendwas in den Briefen gesagt? Über ihren Wohnort?", wollte Liam wissen.

"Ich weiß es nicht, kann sein", antwortete Niall.

"Willst du mal nachsehen? Ich kann an nichts anderes mehr denken."

Niall betrachtete den Stapel Briefe, den er in seinen Händen hielt, der vierzehnte lag ganz oben, noch ungelesen. Er wollte nach allem immernoch den letzten lesen. Liam betrachtete ihn vorsichtig.

"Ich könnte es auch machen, wenn du möchtest."

Wollte er wirklich, dass Liam das tat? Nein, dass wollte er wirklich nicht. Charlie war sein Geheimnis, auch wenn sich das doof anhört, aber sie war es. "Ich weiß nicht", war deshalb wahrheitsgemäß seine Antwort.

"Ich werde sie nur überfliegen, ich bin gut darin. Wenn du einfach den nächsten Brief ließt und ich den Rest durchstöber, könnten wir sie eventuell schneller finden. Okay?"

Niall dachte darüber nach.

"Ja.", somit überreichte er Liam den Stapel und riss den vierzehnten auf.

Lieber Niall,

Ich habe im Moment nicht viel, wovon ich dir erzählen könnte. Der Neue sieht nur noch mehr aus wie Blake, als ich ursprünglich dachte. Alice benimmt sich nach wie vor komisch. Ruby rief gestern an und redete von ihrer neuen Schule - Die spielen hier Lacrosse, Charlie, das ist so cool! - und ihre neue Adoptivfamilie und ihr neues Leben ohne mich, einbezogen. Ich freue mich für sie, ich tu' es wirklich, sie verdient es mehr als jeder andere, doch ich vermisse sie so sehr.

Und dann ist da noch diese lähmende Trauer die sich anfühlt, als würde sie mich innerlich zerfressen.

Oh Charlie, dachte Niall und biss sich auf die Lippe. Neben ihm überflog Liam einen der Briefe, seine braunen Augen blickten die geschwungene Handschrift.

Ich habe Angst, Niall. Ich glaube ich werde verrückt, oder irgendwas an mir ist falsch. Werde ich wahnsinnig? Ich glaube schon. Manchmal liege ich im Bett und träume, davonzuschweben. und stell mir vor, dass mein Körper schwerelos wird und durch die Zimmerdecke schwebt, durch den Dachboden, der gefüllt ist mit Dingen, die andere Kinder im Heim zurückgelassen haben. Hinauf in die Luft und diese Erde verlassen, um mich dann den Weiten des Weltraums zu ergeben.

Ich glaube, ich brauche jemanden, der mich wieder zurück auf den Boden der Tatsachen zieht. Blake tat dies immer für mich, nach dem ich jeden verloren hatte und bevor ich wieder jeden verlieren werde.

Seitdem Eliza ihre Diagnose bekam, bekam ich diese Panikattacken, bei denen sich das Leben in mir ausschloss und ich vergaß zu atmen. Sie wurden noch häufiger, als meine Eltern starben, denn sie waren weg, Eliza war am Sterben und ich wusste nicht mehr was ich tun sollte. Ich hasste dieses Gefühl.

Und tu' es immernoch.

Das zweite mal, dass ich Blake traf, war, nachdem man mir sagte, das Eliza nicht mehr das Monatsende leben würde.

Ich hätte es erwarten sollen, ich hätte mich besser darauf vorbereiten sollen. Hölle, es war ein Wunder, dass sie es überhaupt so weit geschafft hat. Weißt du was die Lebenserwartung von jemandem mit APL ist? 8-10 Monate nach der Diagnose. Und Eliza hielt es Jahre aus, Gott segne sie. Dennoch, aus irgendeinem dummen Grund, glaubte ich, dass wir da durchkommen würden, dass sie gesund würde und zurück ins Heim kam mit mir. Ich glaubte weiterhin, dass ihre goldenen Locken wieder nachwachsen würden und dass sie und Ruby Freundinnen würden.

Also, als ich in diesem Büro saß und Jades Hand hielt während man mir das sagte, wusste ich nicht mehr, was passierte. Ich konnte weder atmen, noch irgendeinen Gedanken fassen und ich fühlte mich, als würde ich sterben. Jade hatte es in dem Moment auch nich verstanden, glaube ich. Sie war zu diesem Zetpunkt noch eine Auszubildende, also drückte sie blos meine Hand und sagte mir irgendwas und dann hat sie mich alleine im Flur gelassen um Steve anzurufen.

Es tut mir Leid, wenn das hier schwierig ist zu lesen, doch meine Hände wollen nicht aufhören zu zittern.

Niall malte mit seinen Fingern die Stellen nach, an denen die Schrift unleserlicher waren.

Vermutlich hat Blake mich gefunden. Ich habe ihn erst einmal zuvor getroffen, dennoch legte er seine Arme um mich und drückte mich sanft, während er mir zuraunte, dass alles gut werden wird und dass ich jetzt sicher bin.

Er ließ mich nicht los, Niall. Er ließ mich nie los, und ich konnte mich nie dafür bedanken. Er war alles was ich hatte in dieser Sekunde, doch auch ihn musste ich verlieren. Manchmal vergesse ich, was er alles für mich getan hat. Manchmal vergesse ich und muss mich erinnern, dass er der einzige Grund ist, dass ich nicht in einer letzten Entscheidung aufgegeben habe.

Nachdem ich aufhörte zu weinen fragte ich ihn, wieso er in dem Krankenhaus war und ob er auch jemanden verlieren würde.

Er schüttelte den Kopf und ich übersah, wie traurig sein Lächeln war.

Ich sah es nicht und laubte ihm, als er sagte, dass seine Mutter in dem Krankenhaus arbeitete, und dass er ihr jeden Tag das Mittagessen brachte. Jetzt frage ich mich, ob ich mich verliebt hätte, wenn ich gewusst hätte. Ich weiß es nicht.

Das ist es. Niemand weiß es. Es überfällt dich wie ein Schlag, als würde ein Lastwagen in die Seite deines Autos fahren, und da ist nichts, was du tun kannst.

Oh Gott, Niall, was mache ich bloß? Was soll ich blos noch machen? Was bleibt ich noch übrig?

Du hast mich, dachte er verzweifelt. Du hast mich, ich muss dich nur noch finden.

Vielleicht hatte Lola recht, als sie sagte, dass diese Briefe alles nur noch schlimmer machen.

Alles Liebe,

Charlie. ❤️

"Alles in Ordnung mit dir, Niall?", fragte Liam. Niall blinzelte. "Äh, ja. Mir, mir geht es gut.", murmelte und wusch sich über seine brennenden Augen. Sein Herz pochte wieder stark und das herabziehende Gefühl war wieder zurück. Eine quälende Sorge in seinem Kopf, die mit jedem Brief den er las, lauter wurde.

Was wenn sie mit dem Schreiben aufhörte, weil sie nicht mehr weitermachen konnte?

Was, wenn sie aufgegeben hat, wenn sie das Leben aufgegeben hat?

Was wenn-

"Niall", sagte Liam plötzlich beruhigend neben ihm. "Niall, sie mal."

"Was", fragte er.

Liam blickte mit leuchtenden Augen auf. "Daybridge Kinderpflegeheim. Das ist, wo sie lebt, hat sie gesagt, Niall, wir können sie finden!", sagte er.

Niall starrte auf das Papier.

Er kann sie nun finden.

HI, endlich konnte ich wieder updaten *-* Es tut mir Leid, aber ich hatte ja gesagt, dass ich nicht updaten will, ehe die Originalstory geupdatet wird und vor zwei Wochen oder so kam das Update dann endlich. Sagt mal, musstet ihr auch weinen? Ich jedenfalls schon -.- Aber ich liebe das Ende des Kapitels, darauf habe ich schon so lange gewartet :D

Und wow, ich habe gerade gesehen, dass wir die 5000 geknackt haben! OMG ich freue mich, dass so viele diese Übersetzung lesen <3

Ich wünsche euch noch einen schönen Sonntag <3

Lots of Love,

Janette

Twenty one letters to Niall (Übersetzung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt