Kapitel 4

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Nachdem ich nach Hause gekommen bin, stelle ich mich erstmal unter die heiße Dusche. All die Emotionen haben mich innerlich und äußerlich kalt werden lassen. Irgendwann kommt kein warmes Wasser mehr und ich stehe zitternd im Badezimmer. Ich trockne meine Haare und schlüpfe in einen bequemen Schlafanzug. Dann kuschle ich mich in mein Bett. Ich schnappe mir mein Handy und beginne durch Instagram zu scrollen. Ab morgen muss ich nach einem Job Aussicht halten. Nun hält mich ja wirklich gar nichts mehr hier in dieser Kleinstadt. 

Ich lege das Handy beiseite und schließe die Augen. Sie brennen. Da ertönt ein Piepston. Eine neue Nachricht ist eingegangen. Ich angle mir das Gerät, entsperre es und öffne mein Mailprogramm

Betreff: Ihre Bewerbung als Kindermädchen

Hä? Ich habe mich doch nirgendwo beworben. Was ist denn das. Ist das Spam?

Sehr geehrte Frau Sievert,

wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Sie die Stelle als Kindermädchen in unserer Lokalität annehmen werden. Ihr hervorragendes Abschlusszeugnis macht Sie für uns zur idealen Kandidatin der Betreuung unserer Schwester Salma.

Wir erwarten Sie pünktlichst am kommenden Montag um 8.30 am Bahnhof in Villbrunn. Unsere Vorstellungen bezüglich Ihres Gehalts, sowie ein Grundriss Ihres Apartments, den Arbeitsvertrag und den weiteren Annehmlichkeiten, die mit Ihrer Stelle einhergehen, entnehmen Sie bitte dem Anhang.

Mit freundlichen Grüßen,

die Herren von Schwanstatt

Was ist das? Das muss ein Irrtum sein. Trotzdem bin ich nun neugierig und öffne den Anhang. Mir fallen fast die Augen aus dem Kopf, als ich die Gehaltszahlungen und die Bilder des Apartments sehe. Ich schlucke trocken. Auf dem Dokument im Anhang stehen nochmal genau meine Daten, hä? Ich verstehe das nicht. Ich lege das Handy weg und nehme es dann doch wieder in die Hand. Der kommende Montag – das ist in drei Tagen? Ich verstehe es nicht. Schnell tippe ich eine Antwort und versuche dabei eine mindestens genau so geschwollene Ausdrucksweise zu nutzen, wie diese Herren von und zu.

Sehr geehrte Herren von Schwanstatt,

ich glaube, hier muss ein Missverständnis vorliegen. Weder habe ich mich beworben, noch mein Zeugnis verschickt. Vielleicht haben Sie mich mit einer anderen Person verwechselt.

Mit hochachtungsvollen Grüßen

Ina Sievert.

Ich schüttle den Kopf. Das gibt es doch gar nicht. Ich lege das Handy beiseite, doch nun bin ich schon wach und mein Interesse ist geweckt. Ich gebe die Herren von Schwanstatt ein und werde wenig später mit einem Suchergebnis belohnt. Okay, krass. Damit habe ich jetzt nicht gerechnet. Und warum genau brauchen die jetzt ein Kindermädchen? Ich verstehe es immer noch nicht. Zumal ich mich als Erzieherin ja auch wirklich nicht als Kindermädchen bezeichnen lassen würde. Ich schüttle den Kopf. Ein erneuter Piepston weißt auf eine neue Nachricht in meinem Posteingang hin.

Sehr geehrte Frau Sievert,

Danke für Ihre schnelle Antwort. Wir wiederholen uns nur ungern und freuen uns daher auf Ihren Dienstantritt in drei Tagen. Durch die Dringlichkeit und der damit verbundenen Kürze der Zeit haben wir uns erlaubt, Ihre Habseligkeiten durch ein Unternehmen einlagern zu lassen. Um diesen Übergang so bequem wie möglich für Sie zu handhaben, steht ab morgen ein Hotelzimmer für Sie bereit. Das Ticket hierfür sowohl ihr Zugticket sind im Anhang hinterlegt. Wir wünschen eine angenehme Reise!

Mit freundlichen Grüßen,

die Gebrüder Schwanstett

Jetzt geht es aber los? Haben die nicht mehr alle? Nur weil das so superreiche Typen sind können die doch nicht einfach über mich verfügen wie sie wollen! Ich strample meine Decke weg und laufe aufgeregt in meinem Schlafzimmer umher. Da fällt das Bild von Ruth in mein Sichtfeld. Vorsichtig nehme ich es in meine Hand und streiche sanft darüber. Moment mal! Ich schaue auf die eben aufgerufene Internetseite und dann wieder auf das Bild. Das gibt es doch nicht! Mein Herz pocht schneller. Kann das ein Zufall sein? Ich setze mich wieder auf die Bettkante und versuche Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Diese Gebrüder von Schießmichtod haben doch etwas von einem hervorragenden Zeugnis geschrieben. Und die einzige, die dieses Zeugnis gesehen hat, ist Ruth. Außerdem ist auf dieser Internetseite ein sehr ähnliches Bild zu sehen wie auf dem Bild, welches ich auf Ruths Esstisch gefunden habe. Das kann kein Zufall sein. Ich stehe auf und gehe zum Fenster. Ich brauche frische Luft! Ich öffne den Verschluss und nehme einen tiefen Atemzug – das bringt alles nichts. Ich brauche jetzt etwas mehr als nur Luft. Ich krame nach meinen Notfallzigaretten, zünde mir eine an und inhaliere tief. Dann schaue ich nach oben und lasse den Rauch entweichen.

„Das hast du ja schön eingefädelt...", sage ich leise und mir ist es so, als höre ich Ruths heiseres Kichern. Ich fühle mich seltsam ruhig. Es scheint so, als wäre alles geregelt. Krass.

Cinderella in ChucksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt