„Das ist, wow!" Ich drehe mich zu Susi an und bin wirklich baff erstaunt. Ich hätte nie gedacht, dass ich so aussehen kann!"„Du bist auf jeden Fall eine Augenweide." Sie klatscht in die Hände. „So und jetzt noch die Schuhe und dann müsst ihr zwei hübschen auch schon runter in den Speisesaal!" Ich laufe zu meinem sehr übersichtlichen Schuhregal und schnappe mir meine weißen Chucks. Durch das bodenlange Kleid fällt das gar nicht auf. „Ina? Das ist nicht dein Ernst!" Susi schaut mich entsetzt an. „Oh doch. Kleiner Akt der Provokation!" Ich grinse ihr zu. „Ich danke dir sehr für das Fertigmachen. Das hätte ich nie im Leben so hinbekommen."„Sehr gerne! Ich habe hier übrigens noch passende Schuhe für dich!" Sie zieht ein paar dunkelgrüne Stilettos aus dem Schrank. Ich lache nur und winke ab. „Damit kann ich echt nicht laufen!" In diesem Moment kommt Salma durch die Tür hineingeplatzt. Sie sieht mich einen Moment irritiert an. „Susi? Wo ist Ina?" Ich lache leise. Die Verwandlung ist wohl geglückt. „Gehen wir, junge Dame!" Ich strecke Salma meine Hand hin. Sie schaut geschockt auf mich. Dann verzieht sich ihr Gesicht zu einem Lächeln.„Sehr gerne!" Sie knickst. Wir betrachten uns beide im Spiegel. „Dann mal runter, mit euch Hübschen!",sagt Susi und schiebt uns beide aus dem Zimmer. Ich hake Salma unter. Gemeinsam schweben wir die Treppe herunter. Es ist schon von oben Stimmengewirr zu hören. Mein Herz schlägt schneller. Salma fasst meine Hand etwas fester und ich lächle ihr beruhigender zu, als ich mich eigentlich fühle. Schließlich sind wir unten angekommen. Ich schaue mich suchend nach den Männern um, um etwas Orientierung zu bekommen. Schließlich sehe ich Jakob, der mich durchdringend anschaut. Auch Salma hat ihn gesehen und hüpft zu ihm. Ich folge ihr unauffällig, allerdings spüre ich die anderen Blicke intensiv. Ich fühle mich unwohl. Christian gesellt sich zu uns. Er lächelt mich an.„Du siehst atemberaubend aus!", flüstert er mir leise ins Ohr. Ich spüre, wie ich erröte. „Und sind das etwa Chucks unter diesem Kleid?", fragt er erneut und grinst. Ich nicke. Er schüttelt nur den Kopf und legt seine Hand in meinen Rücken.„Wir starten gleich mit dem Dinner. Ich bringe die zwei Damen zu Ihren Plätzen." Ich sitze leider nicht neben ihm, sondern neben Jakob, der mich die ganze Zeit nur ignoriert. Was habe ich ihm bloß getan? Nach dem ewig langen Essen ziehen wir uns in den Salon zurück. Eine Musikkapelle spielt, doch die Frauen zieren sich noch zu tanzen, während die Männer Zigarren und Whiskey zu sich nehmen. Ich habe echt das Gefühl, in einem Film zu sein. Gibt es so etwas wirklich? Salma plappert eifrig mit den anwesenden Gästen und gibt sich wirklich sehr wohl erzogen und angepasst. Ich bin auf den nächsten Tag gespannt, ob sie es da dann herauslässt? Die Musik wird etwas lauter, Sebastian kommt auf uns beide zu. Er nickt knapp und verbeugt sich dann vor Salma. „Eröffnest du mit mir den Tanz?" Salma nickt freudig und winkt mir zu, als sie auf die Tanzfläche geht. Ich bewundere ihre anmutige Art zu tanzen sehr. Mit halbem Ohr höre ich die Worte der anderen Gäste.„Das arme Mädchen, ohne Mutter und Vater. Aber dafür solche entzückenden Onkel."„Ja, da hast du Recht. So eine tragische Geschichte. Der Vater tot und die Mutter stirbt bei der Geburt!" Mir wird übel. „Das ist wie ein Fluch!", antwortet wieder eine andere. „Ja, wirklich!" „Man kann schon verstehen, dass die Baronin nie mehr zurückkommen konnte!"„Und jetzt ist sie auch tot!" Ein weiteres Puzzleteilchen rückt an den richtigen Platz: Ruth, sie sprechen von Ruth. Also wenn ich es richtig verstehe, war Ruth die Oma von Salma. Und Salmas Mutter ist bei der Geburt von Salma gestorben? Ich fühle so sehr mit Salma, dass mir die Tränen aufsteigen. Immerhin hatte ich meine Eltern ein paar Jahre länger als Salma. Ich spüre, wie mich die Gefühle übermannen. Ich muss hier raus. Ich drehe mich zu diesen Lästerweibern um und werfe ihnen einen bösen Blick zu, bevor ich durch die Pergola, die direkt am Salon angrenzt, nach draußen gehe. Ich atme kurz die frische Luft ein. Doch das reicht mir nicht. Ich muss weiter weg! Weg von diesen toxischen Menschen! Ich stolpere und verliere dabei den linken Schuh meiner ohnehin sehr locker geknoteten Chucks. Egal! Ich lasse ihn liegen und laufe in den Park. Ich brauche Abstand. Ich spüre den Kies und das feuchte Gras unter meinem Fuß und komme langsam zur Ruhe. Ich setze mich auf eine der Steinbänke in dem barock angelegten Garten. Erst jetzt spüre ich, wie kalt es hier draußen eigentlich ist. Trotzdem bekomme ich nun endlich Luft. Luft zum Atmen! Eine Bewegung neben mir, lässt mich erschauern. Sebastian setzt sich neben mich auf die Bank. Er zieht sein Jackett aus und breitet es über meine Schultern. Ich ziehe es näher an mich heran und genieße die noch darin verbleibende Körperwärme. Trotzdem kann ich nicht aufhören zu zittern. „Traumata sind ein Arschloch!", sagt Sebastian schließlich ruhig. Ich schaue ihn irritiert an. Nicke schließlich aber zustimmend. Er strahlt irgendetwas aus, was mir klar macht, dass ich meine Erinnerungen und Gedanken an die schwerste Zeit meines Lebens loslassen kann. „Meine Eltern. Sie sind beide umgekommen, als ich in Salmas Alter war. Eure Gäste, die Gespräche über Salmas Eltern, deine Schwester...", ich suche seinen Blick. Er schaut mich offen und verständnisvoll an. „Wir konnten ihr nicht mehr helfen! Wir wussten nicht mal von der Schwangerschaft. Rosalie hat sie uns verschwiegen", erklärt er ruhig. „Das macht vor allem Jakob, als Gynäkologe, zu schaffen. Obwohl die Obduktion ergeben hat, dass sie auch unter der intensivsten Betreuung die Geburt höchstwahrscheinlich nicht überlebt hätte."„Aber er fragt sich immer noch, was wäre wenn?", frage ich Sebastian. „Ja. Er macht sich die größten Vorwürfe. Christian als Allgemeinmediziner und ich als Psychiater natürlich auch. Ich meine, wie konnte es uns drei Medizinern und Mama nicht aufgefallen sein, dass unsere Schwester schwanger war? Ihr Freund ist kurz davor bei einem Autounfall ums Leben gekommen! Das hat Rosalie natürlich sehr mitgenommen. Ich weiß gar nicht, ob sie vor den Wehen wusste, dass sie tatsächlich schwanger ist.„Und Ruth?"„Du kennst sie. Sie ist eine Frau der Prinzipien. Durch die ganzen Selbstvorwürfe hat sie sich mehr oder weniger selbst zerfressen. Kurz nachdem Salma auf die Welt gekommen ist, ist sie ausgezogen und hat nie wieder einen Fuß in die Villa gesetzt. Sie hat immer geschaut, dass wir mit allem gut versorgt waren – ich meine schau dir Salmas Spielzimmer an!" Er hält für einen Moment meinen Blick.„Und dann hat sie mich euch geschickt!", sage ich leise.„Genau! Und es ist wirklich ein Geschenk des Himmels, dass du da bist! Auch wenn du mit Chucks zu unserem wichtigen Dinner gekommen bist!" Er grinst mich an und bekommt dabei Grübchen in seinem sonst zu ernsten Gesicht. Dabei stellt er meinen anderen Schuh neben mich. „So und jetzt ab ins Bett mit dir, Cinderella! Jakob bringt gerade schon Salma ins Bett!" Ich gähne herzhaft und schlüpfe in meinen Schuh. „Gute Nacht. Und danke, Dr. Schwanstett!"„Sebastian, wenn wir unter uns sind!"„Wenn du mich Ina nennst!"„Mach ich Fräulein Sieverts!" Er zwinkert mir noch zu, bevor ich den Garten verlasse.
***So, das war es für heute. Am Donnerstag kommt das nächste Kapitel. Falls du große Leselust hast, kannst du ab sofort auch den Print von Herzblut ~ Magnus und Elena auf amazon bestellen. Falls du ein von mir signiertes Exemplar haben möchtest, dann schreibe mir gerne in die Kommentare. ***
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Cinderella in Chucks
RomanceDiese Geschichte steht für sich alleine und hat (bisher) keinen Querbezug zu meinen anderen Geschichten. Ina ist frisch gebackene Erzieherin und hat gerade ihre Abschlussfeier überstanden. Wenige Tage später erhält sie eine rätselhafte E-mail der Ge...