Kapitel 5

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Ich warte brav, bis der Taxifahrer, oder ist es ein Chauffeur, die Tür öffnet. Ich steige aus und schaue mich um. Es ist wunderschön hier. Noch viel schöner als auf der Internetpräsenz und gefühlt in einem besseren Zustand, als auf Ruths Bild. Auf dem Platz vor dem Haus parken noch andere Fahrzeuge – eins teurer als das andere! Der Fahrer stellt mein Gepäck neben die Eingangstüre. Dann nickt er mir zu, steigt in sein Auto und fährt davon. Puh. Mein Herz schlägt schneller. Langsam gehe ich über den knirschenden Kies auf die Tür zu. Wie automatisch hebe ich einen Fuß nach dem anderen und stehe dann direkt vor der liebevoll restaurierten Holztüre. Ein glänzendes Metallschild ist neben der Tür angebracht. „Schwanstetter Klinik", ist darauf zu lesen. Ich schlucke trocken. Schließlich drücke ich auf den Klingelknopf. Ich höre das Blut in meinen Ohren rauschen! Wer wird mir wohl öffnen? Schließlich öffnet sich die Tür und ein kleines Mädchen steht darin. Sie ist vielleicht 5 Jahre alt und starrt mich an. Ihre Haare haben bestimmt schon lange keine Bürste mehr gesehen. Das sicherlich mal prachtvolle Nachthemd ist schmutzig und anhand ihrer nackten Zehen kann man sehen, dass sie gerne auch in den großzügigen Parkanlagen unterwegs ist. Das auffallendste sind ihre blauen Augen. Sie suchen meinen Blick. In ihnen stecken so viele Emotionen: Wut, Trauer und vielleicht auch ein kleines bisschen Hoffnung?„Hallo, ich bin...", ich komme nicht dazu, meinen Satz zu Ende zu sprechen, da wird mir schon die Tür vor der Nase zugeknallt. Na super. Das hat ja prima begonnen. Ich trete einen Schritt zurück. Was mache ich jetzt? Nochmal klingeln? Als ob mir das Mädchen nochmal aufmachen würde. Wohnt sie da etwa ganz alleine? Wer hat mich dann engagiert und wie ist sie mit Ruth verwandt? Ich seufze und hole mein Handy aus meiner Tasche. Klar! Kein Netz! Jetzt kann ich noch nicht mal jemanden anrufen, der mir vielleicht helfen könnte. Ich setze mich auf meinen Koffer und schaue in den Himmel.„Und jetzt, Ruth?", frage ich leise. Leider bekomme ich kein Zeichen. Dafür höre ich ein energisches Räuspern hinter mir. Ich fahre auf und drehe mich um. In der Türöffnung steht der schönste Mann, den ich jemals gesehen habe. Er hat ein athletisches Äußeres, allerdings wirkt er nicht bullig. Seine Anzugshose und sein Hemd passen wie angegossen. Er wirkt sehr gepflegt und angepasst. Ein Blick in seine Augen verrät mir aber ein ganz anderes Temperament. Ich bekomme eine Gänsehaut. „Fräulein Sievers, Sie sind 10 Minuten zu spät!", sagt er mit einem zwar sehr angenehmen Stimmklang, aber mit einer deutlichen Schärfe im Unterton. „Ich warte hier bereits seit einigen Minuten!", gebe ich mindestens genauso scharf zurück. Eine seiner gepflegten Augenbrauen bewegt sich nach oben. Shit. Das war wohl er Situation meines neuen Arbeitgebers nicht ganz angepasst. Er seufzt leise und wirft, genauso wie ich vor ein paar Minuten, den Blick zum Himmel. „Ich zeige Ihnen Ihre Räume!", sagt er entschlossen und läuft voraus. Ich folge ihm möglichst elegant und komme mir schon jetzt mit meinen Jeans, Chucks und dem Langarmshirt hoffnungslos underdressed vor. Wir begeben uns durch das Labyrinth des Anwesens. Wie soll ich mich hier nur zurechtfinden?„Salmas Räume sind direkt neben ihren Räumen!", sagt er mit seiner melodischen Stimme. „Und Sie sind?", frage ich nun doch etwas eingeschüchtert. „Dr. Schwanstett, für Sie!" Ich versuche mich daran, mich zusammenzureißen und nicht die Augen zu verdrehen. Er öffnet nun die Türe zu meinem Apartment. Ich halte kurz die Luft an: Es ist wunderschön!„Ich hoffe, es gefällt Ihnen. Ihr Gepäck wird gleich in Ihr Zimmer gebracht. Heute Abend, nach dem Abendessen, können Sie sich dann einrichten. Kommen Sie!", was eher eine Aufforderung als eine Frage ist. Ich reiße mich los von „meinem" Apartment und laufe hinter ihm her. Er geht etwas weiter den Gang entlang und klopft schließlich an eine Tür. „Salmaschatz!", sagt er mit einer ganz anderen Stimmfarbe. Ich höre kleine Schritte, dann fliegt die Tür auf und der kleine Wirbelwind kommt Dr.Schwanstett direkt entgegengeflogen. „Jakob!", ruft sie leise und vergräbt ihr schmutziges Gesicht in Dr. Schwanstetts noch weißem Kragen. Er dreht sich mit ihr im Kreis. Salma juchzt. Es ist schön, die beiden so zu sehen. Dr. Schwannstett kniet sich nun mit Salma auf den Boden. Sie klammert sich fest an ihn und zeigt mir ihren schmalen Rücken. „Salma? Das ist Fräulein Sievert! Sie wird nun auf dich aufpassen!",sagt Dr. Schwanstett leise und streichelt sie. Ich setze mich zu den beiden auf den Boden und warte geduldig ab. „Ich will kein Fräulein, ich will dich und Sebi und David!"„Ja, Salmaschatz. Das verstehe ich. Aber du weißt, ich muss in die Klinik und da Frauen gesund machen!, sagt er leise und einfühlsam. „Ich will nicht, dass du da hingehst. Mama hast du auch nicht gesund gemacht. Blöde Klinik! Scheißklinik!", schimpft Salma und trommelt mit ihren kleinen Fäusten gegen den Rücken des Arztes. Ich spüre, wie sehr Dr. Schwanstett mit sich kämpft. Dennoch halte ich mich erstmal zurück. Schließlich wird das Schlagen weniger und ich höre nur noch ein Schluchzen. Mir bricht es das Herz, dieses Mädchen so hilflos und auch ein Stück weit haltlos zu sehen. So steckt doch auch etwas von meiner eigenen Lebensgeschichte in ihr. Nach weiteren Minuten wird der kleine Körper weich und das Schluchzen weniger. Dr. Schwanstett, oder Jakob wie ich ihn nun für mich nenne, öffnet vorsichtig die Tür von Salmas Zimmer. Auch ich erhebe mich und laufe hinter den beiden her. Vorsichtig legt er sie auf das Bett und deckt sie zu. Er nickt mir noch kurz zu und verlässt dann das Zimmer.

Cinderella in ChucksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt