6 Blacksmith

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Meine Hände strichen über die alten Seile der Schaukel. Moos hatte sich daran festgesetzt und glitt samtig unter meinen Fingerspitzen hindurch.
Rosarote Knospen schimmerten zwischen den Blättern des Apfelbaumes, die Sonnenstrahlen hinterliessen eine angenehme Wärme auf meinen Wangen.
Tausende Erinnerungen brachen über mich herein und ein Lächeln stahl sich dabei auf mein Gesicht.

Ich raffte meinen Rock und verliess den Burggarten. In den Gassen von Nottingham begegneten mir einige Bewohner, die ich freundlich grüsste.
Nur eine Gruppe von Kindern erwiderte meinen Gruss, die Erwachsenen beobachteten schweigend, wie ich immer weiter in das Labyrinth der Stadt eindrang.
Die Strassen wirkten schmutzig, die Kinder trugen abgewetzte Kleider mit etlichen Flicken. Eine Frau zog ein weinendes Mädchen an der Hand hinter sich her, als sie mich erblickte blieb sie stehen.

«Lady Lionsheart», sagte sie leise.
«Guten Tag.» Respektvoll neigte ich den Kopf, erfreut darüber, endlich Kontakt knüpfen zu können.
Die Frau musterte kurz mein mit Perlen besticktes Kleid, danach fiel ihr Blick auf die goldene Kette um meinen Hals.
Ihr eigenes Kleid wirkte verwaschen und ihre Haare fielen ungekämmt in ihr Gesicht. Ohne ein weiteres Wort lief sie weiter, das kleine Mädchen im Schlepptau.
Mit gerunzelter Stirn sah ich ihrer Gestalt nach, bis sie in der Dunkelheit der Gassen verschwand.

In meiner Erinnerung hatte Nottingham gestrahlt, die Stadt war bunt gewesen und die Bewohner fröhlich.
Ich fragte mich, ob die Jahre die Bilder getrübt hatten. In der Burg war nichts von der Armut spürbar gewesen, die sich nun in den Strassen von Nottingham zeigte.
An den steinernen Mauern klebten Fahndungsplakate von Robin Hood.
Die vom Regen durchnässten Zeichnungen zeigten die Umrisse seiner Gestalt, in den grünen Kapuzenmantel gehüllt. Einige Plakate waren heruntergerissen worden und lagen zerknüllt am Boden.

In Gedanken versunken lenkten mich meine Füsse wie von selbst zu einem der Häuser und ich blieb stehen.
Blacksmith stand in verschnörkelter Schrift auf dem kleinen Messingschild neben dem Eingang.
Mein Herzschlag beschleunigte sich und ich atmete tief durch, um das Kribbeln in meinem Bauch zu beruhigen.
Die Frage, ob er bereits geheiratet hatte drängte sich in mein Bewusstsein.
Nach kurzem Zögern klopfte ich gegen das morsche Holz der Tür. Es dauerte nicht lange bis sich die Tür einen Spaltbreit öffnete.

Thomas Blacksmith stand im Türrahmen und seine Miene erhellte sich, als er mich erkannte. «Ich habe gehört, dass Sie zurück sind, Lady Marian!»
Der Schmied trat einen Schritt zur Seite und bat mich hinein.
«Einfach Marian, bitte», entgegnete ich.
Der Mann schloss mit einem Strahlen die Tür und zog hastig einen Stuhl zurück, damit ich mich setzen konnte. Graue Strähnen durchzogen seine dunkelbraunen Haare, seine Züge waren gealtert.

Mit seinen kräftigen Händen setzte er eine Kanne Tee auf und stellte klirrend zwei Tassen auf den Tisch.
«Sie sagen, dass du in London warst, stimmt das?», fragte er, während er eine Dose mit Zucker und zwei Löffel aus einem Schränkchen in der Küche kramte.
Ich nickte. «Ja, ich war auf einer Klosterschule.»
«Aha», machte der Schmied, ein Schmunzeln liess seine dunklen Augen aufleuchten. «Da hast du bestimmt einiges gelernt.»

Im hinteren Teil des Hauses konnte ich die grosse Feuerstelle und den Amboss erkennen. Ein Hammer lag auf dem Boden, etliche Hufeisen hingen verkehrt an der Wand.
«Nun ja, wie man strickt, sich als Lady benimmt und solche Dinge eben», sagte ich mit einem Lächeln.
Thomas erwiderte mein Lächeln, er griff nach der Teekanne auf dem Herd und kam zurück zum Tisch.

Der Schmied humpelte leicht und ich erinnerte mich an den schrecklichen Unfall, den er in meiner Kindheit gehabt hatte. Deshalb hatte ich gedacht, dass er das Geschäft bereits übergeben hatte. Neugierig sah ich mich um, doch ich konnte ausser Thomas' Mantel nur seine grossen Schuhe und ein Hemd ausmachen, das über einer Stuhllehne hing.
Thomas goss Tee in die Tassen und schob die Zuckerdose auf mich zu. «Bitte, bediene dich. Möchtest du etwas essen?»
Ich schüttelte den Kopf. «Nein, danke. Der Tee ist mehr als ausreichend.»

Marian und ein Dieb namens RobinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt