23 Das Versteck der Merry Men

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Die Stimmen liessen mich innehalten. Auf dem Absatz drehte ich um und spähte vorsichtig durch den schmalen Türspalt.
Der Sheriff beugte sich tief über den Marmortisch meines Onkels, während sie sich angestrengt unterhielten.
«Und du bist sicher, dass sie dort sind?», hörte ich meinen Onkel fragen.
Aufregung schwang in seiner Stimme mit, liess sie höher klingen als sonst.

Der Sheriff nickte mit wichtiger Miene. «Die Soldaten haben Trampelpfade gefunden, die von der Abzweigung nach Big Dunmow in den Wald hinein führen.»
«Hmm», machte mein Onkel nachdenklich. «Ein Versuch ist es wert.»
«Auf jeden Fall!», ereiferte sich der Sheriff. «Wir sollten alle Soldaten von Nottingham aufbieten.»
«Ha!», rief Onkel John, ein fiebriger Glanz legte sich auf seine Augen. «Jetzt kriege ich dich, du Wurm!»

Mit der geballten Faust schlug er auf die Tischplatte und ich zuckte erschrocken zusammen.
Der Sheriff verzog seine Miene zu einem gehässigen Grinsen. «Vertreiben wir die Merry Men endgültig aus unserem Wald und knüpfen uns Robin Hood vor.»
«Oh, ja, wir knüpfen ihn uns vor», stimmte mein Onkel genüsslich zu. «Er wird hängen. Er und seine langfingrigen Hände!»
Ein kalter Schauer rieselte über meinen Körper und erzeugte eine Gänsehaut auf meinem Rücken.

Bevor die Männer den Ausgang erreichen konnten, wirbelte ich herum und hastete hinüber zu meinem Zimmer. Ich zerrte den Mantel hervor und stopfte ihn unter mein Kleid.
Mein Blick fiel auf die Spitze des Pfeilbogens, die unter meinem Bett hervorlinste, doch da hörte ich bereits die Stimme des Sheriffs, der die Soldaten zusammentrommelte.
Ich rannte durch die Hintertür, die geradewegs zum Stall führte.

In aller Eile sattelte ich mein Pferd und zog mich auf dessen Rücken.
Gerade als ich hinaus ins Freie ritt, hörte ich die Schritte der Soldaten.
Ich presste die Fersen in die Flanken meines Pferdes, der Wallach schlug mit dem Kopf, verfiel jedoch in einen schnellen Trab.
Die Hufe klapperten laut in den Gassen von Nottingham, einige Bewohner stieben zur Seite, als ich an ihren Häusern vorbeipreschte.
Beim Waldrand angekommen trieb ich mein Pferd in den Galopp.
Ich löste eine Hand von den Zügeln und streifte den Mantel über.

«Robin!», schrie ich. «Robin Hood!»
Ziellos irrte ich durch den Sherwoord Forest, ich rief seinen Namen bis meine Stimme heiser klang.
«Robin Hood!», brüllte ich so laut ich konnte, woraufhin mein Pferd alarmiert die Nüstern weitete.
«Ich hoffe du hast einen guten Grund, weshalb du den halben Wald zusammen schreist», knurrte eine Stimme hinter mir. «Du störst uns bei der Arbeit.»
Ich wendete mein Pferd und erblickte seine Gestalt, aufrecht stand sie im Schatten der Bäume.

«Arbeit?», wiederholte ich skeptisch.
Er zuckte mit den Schultern. «Leute lassen sich nun mal nicht so gut ausrauben, wenn Jemand herumschreit, als ob er gleich aufgespiesst wird.»
Im Galopp preschte ich auf ihn zu und parierte mein Pferd vor seinen Füssen.
«Sie haben euer Versteck entdeckt!», brachte ich atemlos hervor. «Das Zuhause der Merry Men!»
Robins dunkle Brauen zogen sich zusammen, er verschränkte die Arme vor der Brust. «Das ist unmöglich. Sie haben uns noch nie gefunden.»

«Sie kommen! Alle Soldaten von Nottingham kommen!», erwiderte ich eindringlich. «Der Sheriff kennt den Ort eures Verstecks!»
«Marian, das dachten sie schon viele Male», versuchte er mich abzuwimmeln.
«Nein, du musst mir glauben!» Ich beugte mich hinunter und sah ihn flehend an. «Bitte, sie werden dich töten!»
Robin spähte unter seiner Kapuze hervor. «Und das ist keine Falle?»
Fest erwiderte ich seinen Blick. «Warum sollte ich dich reinlegen?»

Selbst durch den Schatten, der seine Kapuze auf seine Züge warf konnte ich sehen, wie er die Augen zusammen kniff. «Wo vermutet der Sheriff unser Versteck?»
«In der Nähe der Abzweigung nach Big Dunmow», keuchte ich.
Eine Sekunde lang starrten wir uns an. «Verfluchte Scheisse.»
Robin griff nach dem Ende meines Sattels und zog sich hinter mir auf die Kruppe des Pferdes.
Er lehnte nach vorn, sodass ich seine warme Brust an meinem Rücken spüren konnte.

Marian und ein Dieb namens RobinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt