25 Der Bettler von Nottingham

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Damals, Patrick

Vogelgezwitscher erfüllte die Luft, der Geruch nach feuchten Tannennadeln kitzelte in meiner Nase.
Ich folgte ihrer kleinen Gestalt und liess mich von ihr zwischen den Baumstämmen hindurch führen.
Meine Gedanken wanderten ständig zurück zu unserem Kuss.
Die blosse Erinnerung daran trieb eine beschämte Röte auf meine Wangen.

Marians Haar glänzte im gedämpften Licht des Waldes, ein Schimmer wie von glühenden Kohlen lag auf dem kräftigen Rot. Ich fragte mich, wie es sich wohl unter meinen Fingern anfühlen würde. Bevor ich mich zurückhalten konnte, streckte ich die Hand aus und griff nach einer roten Strähne.
Marian drehte sich nach mir um, ihre dünnen Brauen wanderten in die Höhe und ich zog hastig meine Hand weg.

«Habe ich etwas im Haar?», fragte sie verwundert.
«Tannenzweig», flunkerte ich und tat so, als ob ich ein Ästchen aus ihren Haaren ziehen würde.
Die roten Strähnen glitten seidig weich zwischen meinen Fingern hindurch. Meine Hand verweilte auf ihrem Haar und ich sah hinab in ihre grossen Augen.
Marian erwiderte stumm meinen Blick, ein Lichtstrahl fiel durch das Blätterdach und zauberte ein wildes Funkeln in ihre Augen. Ihr Anblick fesselte mich so sehr, dass ich die Luft anhielt.

«Pat?» Marians Stimme klang leise, doch sie riss mich aus meiner Erstarrung.
Meine Hand zuckte weg von ihrem Haar und ich verzog feixend meinen Mund. Unauffällig stiess ich die Luft aus.
«Sind deine Augen eigentlich grün oder blau?», fragte ich, während ich meine Hände tief in den Hosentaschen vergrub, immer noch das Gefühl ihrer Haare an meinen Fingerspitzen.
«Hm, ich weiss nicht», antwortete sie und warf mir einen merkwürdigen Blick zu. «Wenn ich in den Spiegel schaue sind sie manchmal blau und manchmal grün.»

Ihre Stirn runzelte sich, sodass die unzählbaren Sommersprossen über ihre Haut tanzten. «Warum fragst du?»
Ich zuckte mit den Schultern und riss den Blick von ihrem Gesicht los. «Weil sie jetzt blau aussehen. Wenn die Sonne in deine Augen scheint.»
«Ach so.» Marian kicherte leise.
Sie drehte mir den Rücken zu und setzte sich wieder in Bewegung.
Verzweifelt suchte ich nach einem Gesprächsthema, doch mir wollte partout nichts einfallen.
Also legte sich ein spannungsgeladenes Schweigen über unsere Köpfe.

Auf einmal blieb das Mädchen stehen, sodass ich beinahe gegen ihre kleine Gestalt prallte.
Marian legte einen Finger auf ihre Lippen. Durch das Dickicht konnte ich ein Reh erspähen.
Das Tier reckte den Hals in die Höhe und lauschte angestrengt.
In seinen grossen, schwarzen Augen spiegelte sich das Grün des Waldes.
«Wenn du besser mit der Steinschleuder umgehen könntest, könntest du es schiessen und zum Abendessen braten», flüsterte ich Marian ins Ohr.

Sie öffnete empört den Mund.
Sie schlug halbherzig nach mir, doch ich wich ihrer Faust flink aus.
Ich legte den Kopf in den Nacken und lachte übermütig.
Das Reh erschrak durch das Geräusch, es jagte mit grossen Sätzen davon.
«Hüte deine Zunge, Schmied!», rief Marian theatralisch aus. «Immerhin bin ich eine Lady!»
Mit einem frechen Grinsen auf dem Gesicht lehnte ich zu ihr hinüber.
Sie roch nach Rosenwasser.
Das irritierte mich.

Mein Kopf war auf einmal wie leergefegt und ich vergass meine kecke Bemerkung auf ihre Worte.
Verwirrt runzelte ich die Stirn. «Warum riechst du nach Blumen?»
«Du stellst vielleicht Fragen!», erwiderte sie, doch ihre Wangen färbten sich rosa.

Vor dem Burggarten dachte ich unweigerlich wieder an unseren Kuss. Marian mied meinen Blick und ich fragte mich, ob sie sich auch daran erinnerte.
«Na dann», sagte ich und biss auf meine Unterlippe.
«Bis morgen», entgegnete Marian, blieb jedoch stehen.
Schwungvoll trat ich auf sie zu, wobei ich beinahe ihre Zehen zerquetschte und legte ungeschickt meine Arme um ihren Rücken.
Ich drückte ihren schmalen Körper kurz an mich, dann wich ich einen Schritt zurück.

Marian und ein Dieb namens RobinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt