24 Kannst du verzeihen

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«Psst!» Die Stimme liess mich zusammen zucken. «Robin Hood!»
Eine hagere Gestalt löste sich aus den Schatten. Ein Bauer winkte uns durch die Dunkelheit zu.
Robin verlangsamte seine Schritte, er griff nach meiner Hand und zog mich hinter seinen Rücken.
«Kommt!», flüsterte der Bauer.
Ohne unsere Antwort abzuwarten stapfte er los.
Verunsichert warf ich Robin einen Blick zu, er nickte kaum merklich.

«Bedecke dein Gesicht», murmelte er, während er mir ein Tuch reichte.
Gehorsam band ich den tropfenden Stoff um meinen Kopf und zog die Kapuze tief in meine Stirn.
Der Bauer führte uns zu einer Scheune. Das Tor öffnete sich mit einem leisen Knarzen.
«Versteckt euch!», wies er uns an. «Und keinen Mucks!»
Während ich hinter Robins breitem Rücken in das Gebäude huschte, bemerkte ich den neugierigen Blick des Bauern.

Die Tür schloss sich hinter uns und hüllte unsere Gestalten in Finsternis.
«Hier rüber», wisperte Robin.
Wir schlüpften in einen grossen Heustock bis unsere Körper komplett mit Heu bedeckt waren.
Staub kitzelte in meiner Nase, der Geruch des trockenen Grases füllte meine Lungen.

«Aufmachen!», hörte ich die gebieterische Stimme des Sheriffs.
Meine Muskeln versteiften sich, als das Knarzen der Tür erklang. Mein Herz hämmerte so laut in meiner Brust, dass ich befürchtete, die Soldaten könnten es hören.
Durch die Halme des Heus konnte ich das flackernde Licht der Fackeln erkennen.
Schritte schlichen durch die Scheune. Die Panik schnürte meine Kehle zu und mein Atem beschleunigte sich.
Robin tastete unter dem Heu nach meiner Hand, er drückte beruhigend meine Finger. Ich konnte die Schwielen auf seinen Handflächen spüren. Verzweifelt klammerte ich mich an ihm fest, die Lider fest zusammen gekniffen.

Endlich entfernten sich die Schritte.
«Ich habe doch gesagt, dass hier niemand ist», konnte ich die Stimme des Bauern hören. «Aber dem Fussvolk wird nicht geglaubt, was?»
«Nichts für ungut», schnarrte der Sheriff. «Wir verfolgen Flüchtige, da durchsuchen wir jeden Winkel.»
«Ja, ja», grummelte der Bauer. «Kann ich jetzt wieder schlafen gehen?»
Das Tor schloss sich und verschluckte den Rest des Gesprächs.
Ich wagte mich erst wieder zu rühren, als Robin meine Hand losliess und sich aus dem Heu erhob.

Wie in Trance kam ich auf die Füsse und klopfte mein Kleid ab.
Unzählbare Heuhalme klebten auf dem nassen Stoff.
Die Tür öffnete sich einen Spaltbreit und ich wirbelte mit einem gedämpften Aufschrei herum.
«Schsch», machte der Bauer, der sich in die Scheune zwängte.
In einer Hand hielt er einen Bastkorb, in der anderen eine Kerze, deren Flamme tanzende Schatten auf die Wände warf.
«Ich habe euch etwas zu essen gebracht», sagte er. «Ich würde euch gern in mein Haus einladen, aber wenn das Jemand herausfindet...»

«Verrat an der Krone», beendete Robin seinen Satz.
Er warf mir einen flüchtigen Blick zu und ich senkte den Kopf.
«Mhm, ja», stimmte der Bauer zu. «Aber ihr dürft euch solange ausruhen, wie ihr wollt. Morgen früh werde ich euch Eier kochen.»
«Dann werden wir bereits weg sein», entgegnete Robin bestimmt. «Vielen Dank für die Gastfreundschaft und das Versteck.»
Er neigte respektvoll den Kopf, sodass die nassen Haare in seine Stirn fielen.
Der Bauer lächelte strahlend, er stellte den Korb auf den Boden und reichte die Kerze an Robin weiter. «Oh, ihr seid immer willkommen.»
Er ballte die Hand zu einer Faust und reckte sie in die Luft. «Lang lebe Robin Hood!»

Kaum hatte sich die Tür hinter dem Bauern geschlossen, drehte Robin den Kopf zur Seite, zog das Tuch von seinem Gesicht und pustete die Kerze aus. Beissender Rauch stieg in meine Nase.
Meine Augen brauchten einen Moment, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen.
Robin drückte mir ein Stück Brot in die Hand, er liess sich neben mir ins Heu nieder.
«Gurke?», fragte seine tiefe Stimme.
Ich nickte und nahm das Gemüse entgegen.
Er räusperte sich. «Birne?»
Durch die Dunkelheit warf ich ihm einen flüchtigen Blick zu, schemenhaft konnte ich seine Gestalt erkennen.

Marian und ein Dieb namens RobinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt