Die Hektik in der Burg drohte mich zu ersticken.
Mit gehetzten Mienen hasteten die Bediensteten durch die Gänge, um die letzten Vorbereitungen für das Fest zu treffen.
Mein Verlobungsfest.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete das mit winzigen Diamanten bestickte Kleid auf meinem Bett. Silbrige Farben für die zukünftige Braut.In diesem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher, als meine Mutter an meiner Seite zu haben.
Sie könnte meine Haare zu kunstvollen Zöpfen flechten und mir mit einem Lächeln versichern, dass ich aussah wie sie damals.
Und dann würde sie mich umarmen und mir sagen, dass alles gut werden würde. Dass ich glücklich werden würde.
Ein Kloss bildete sich in meinem Hals. Ungehalten wischte ich mit dem Handrücken über meine Wangen, auf die sich Tränen gewagt hatten.Ich drehte dem Abendkleid den Rücken zu, kramte den langen Mantel aus dem Schrank und zog den Pfeilbogen hervor.
Keiner der Bediensteten schien mich zu bemerken, als ich mit zügigen Schritten die Treppe hinunterstieg und aus der Festung entwischte.
Im Wald angekommen atmete ich tief durch.
Hier fühlten sich meine Lungen frei an.Im schützenden Schatten der Brombeerbüsche legte ich mich auf die Lauer. Es dauerte nicht lange bis die erste Kutsche daher rollte.
Ich zog den Bogen von meiner Schulter, spannte einen Pfeil in die Sehne und kniff ein Auge zu.
Kurz bevor die Kutsche die Weggabelung erreichte, löste ich meine Finger.
Der Pfeil schoss durch die Luft und blieb mitten in der Strasse stecken.
Der Kutscher schlug alarmiert mit den Zügeln, sodass die Pferde in den Trab verfielen. Er steuerte die Kutsche nach rechts, weg von dem Pfeil.Zufrieden sah ich dem wackelnden Gefährt hinterher, wie es auf dem schmaleren Weg in den grünen Schatten des Waldes verschwand.
Auf dieser Strecke würden sie viel länger für die Waldpassage brauchen als auf der Hauptstrasse.
Zeit, die den Dieben in die Hände spielte.
Während ich den Pfeil aus dem Boden zog, lobte ich mich selbst.
Ich hatte noch keinen Pfeil gespalten, doch wenigstens die Strasse getroffen, die ich auch anvisiert hatte.Ich kroch zurück unter den Brombeerbusch, Pfeil und Bogen bereit. Nachdem sich das Ganze noch weitere dreimal wiederholt hatte, verliess ich mein Versteck. Ich hatte schliesslich nicht vor alle meine Gäste zu vergraulen.
Die Dämmerung legte bereits einen roten Schimmer auf die Weiten des Himmels und so suchte ich den direkten Weg durch das Gebüsch zurück nach Nottingham.
Bald begann das Fest und ich konnte wohl kaum im alten Jagdmantel meines Vaters teilnehmen.
Bei dem Gedanken an das entsetzte Gesicht meines Onkels kicherte ich.Leise Stimmen drangen an meine Ohren, tiefe Männerstimmen.
Alarmiert duckte ich mich hinter einen mächtigen Tannenstamm und hob den Pfeilbogen in Position.
Durch die mit Nadeln bewachsenen Äste konnte ich zwei Gestalten neben ihren Pferden ausmachen.
Ich erspähte das genervte Gesicht der grossen Fuchsstute und mein Herz machte einen Sprung.
Robin trat in mein Blickfeld, er verstaute etwas in den Satteltaschen,
woraufhin sein Pferd gereizt die Ohren anlegte.«Kannst du es noch schaffen?», fragte der andere Mann, der Robin um einen halben Kopf überragte. «Willst du mein Pferd nehmen?»
Er deutete auf ein Kaltblut, das mit halb geschlossenen Augen vor sich hindöste und die Drohungen der Stute ignorierte.
Das Reiterpaar war bei dem Überfall auf meine Kutsche dabei gewesen, ich erinnerte mich an das Pferd und auch an den hünenhaften Mann, der ein gutes Wort für mich eingelegt hatte.Robin schüttelte den Kopf. «Wir machen es wie besprochen.»
Er griff in sein Gesicht und zog das Tuch nach unten.
Angespannt hielt ich den Atem an, ich lehnte leicht vor, um besser durch die Äste spähen zu können.
Die Tannenzweige knacksten unter meinen Händen und ich erstarrte.
«Robin», raunte der grosse Mann. «Wir sind nicht allein.»
Robin schob seine Mundbedeckung zurück an seinen Platz, langsam zog er einen Dolch aus seinem Gürtel.
Die spitze Klinge blitzte im Abendrot. Gleichzeitig drehten sich die Männer nach mir um.
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Marian und ein Dieb namens Robin
RomanceLady Marian kehrt nach Jahren in die Stadt Nottingham zurück. Vieles hat sich in der Zwischenzeit verändert. Ihre Kindheitsfreunde gibt es nicht mehr, dafür treibt ein Dieb in den umliegenden Wäldern sein Unwesen. Doch Robin Hood hat es nicht nur au...