Nachdem Emmod und Novel ihren Onkel ausspioniert hatten, um herauszufinden, ob er den Purpurnen Kreuzrittern angehörte, erlebten sie zu Hause eine unverhoffte Überraschung.
Ihr Fenster war noch offen und sie konnten über den angrenzenden Baum leise in ihr Zimmer gelangen. Doch auf halbem Wege hörten sie die schweren Atemzüge ihrer Mutter. Durch das gedämpfte Mondlicht warfen sie vorsichtige Blicke ins Zimmer und sahen, wie ihre Mutter an Emmods Bett schlief.
Emina hatte lange auf ihre Söhne gewartet, bis der Schlaf sie schließlich übermannte.
Emmod und Novel hätten am liebsten direkt kehrtgemacht.
„Sollen wir sie schlafen lassen?", fragte Novel flüsternd und angespannt, „Wir können unten schlafen und jeder von uns hat bis morgen seine Ruhe."
Emmod dachte darüber nach. Doch schließlich war es seine Idee gewesen, zum Drachenbecher aufzubrechen, um ihren Onkel auszuspionieren.
„Ich glaube, es ist besser, wenn wir sie wecken.", antwortete Emmod zögernd.
Er übernahm die volle Verantwortung, als er sich mutig einen scheinbar übermächtigen Gegner stellte.
„Irgendwelche letzten Worte?", fragte Emina ihren Sohn. Tatsächlich hatte Emmod welche.
Er erzählte ihr, dass Ko ihnen Kampfübungen beigebracht hatte, und über ihre Vermutung, dass er den Purpurnen Kreuzrittern angehören könnte, weshalb sie zu später Stunde zum Drachenbecher aufgebrochen waren. Zwar hatten Emmod und Novel versprochen, kein Wort über ihr Training zu verlieren, aber was hätte es gebracht, sich eine Lüge auszudenken, die ihnen sowieso nicht helfen würde?
Nur die Leiche ließ er aus seiner Erzählung heraus.
So oder so hätten sowohl die Brüder als auch Ko eine saftige Strafe und eine Tracht Prügel bekommen.
Aber dazu kam es nicht.
Emina legte die Hand auf Emmods Schulter.
„Danke, dass du mir die Wahrheit gesagt hast.", sagte sie und verließ das Zimmer.
Novel wäre fast vom Bett gefallen, und auch Emmod war sehr erstaunt über diese untypische Reaktion ihrer Mutter.
„Warte.", sagte Emmod, „Du bist nicht... wütend?"
Emina schnaubte.
„Es ärgert mich, dass ihr immer wieder meine Regeln missachtet. Aber ich muss mich daran erinnern, dass ihr noch Kinder seid. Kinder sind neugierig und machen Fehler, genau wie Erwachsene. Das macht euch menschlich und das ist normal, auch für euch. Wichtig ist, dass wir ehrlich darüber sprechen."
Sie nicken ihr überrascht zu und überlegen, ob sich die Sache damit schon erledigt hat.
Doch Emina hatte noch ein Anliegen.
„Hat sich eure Vermutung bestätigt?", fragte sie, bevor sie das Zimmer verließ.
„Nicht sicher.", antwortete Emmod leise.
„Keine Sorge.", sagte sie, „Tut er nicht."
Das beruhigte die beiden ein wenig, doch ob ihr Onkel Ko in der Vergangenheit ein Mitglied der Purpurnen Kreuzritter war, blieb weiter unklar.
Dieser Tag sollte jedoch nur der Beginn einer Reihe von Enthüllungen sein, die ihren Onkel und ihre Familie betrafen.
Vom nächsten Tag an wurde das Thema von niemanden mehr angesprochen, obwohl Emmod und Novel weiterhin ihre Bedenken hatten, vertrauten sie der Einschätzung ihrer Mutter.
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Lost Ones - Ein falscher König
FantasyIm Königreich Rilgohin strebt die junge Prinzessin Lina Elmhart nach Selbstbestimmung, scheitert jedoch an den strengen Vorgaben ihres Vaters. Doch ihre Begegnung mit den Brüdern Emmod und Novel Brymbach bewegt sie dazu, ihr vorherbestimmtes Leben z...