Kapitel 11 - Entschuldigungen

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Lina hat sich in ihr Zimmer zurückgezogen. Der Raum, zuvor ihr Zufluchtsort, fühlt sich plötzlich erdrückend an. Während sie an die Decke ihres Himmelbetts starrt, durchdringt sie ein Gefühl der Zerrissenheit zwischen der Welt, in der sie lebt, und der Welt, nach der sie sich sehnt.

Die höfischen Freundschaften, die nichts weiter als fein gewobene Netze aus Verpflichtungen und Erwartungen sind, stehen in starkem Kontrast zur offenen und direkten Art der Brymbach Brüder. In dieser kurzen, gestohlenen Zeit mit Emmod und Novel hat sie einen Hauch von Authentizität und eine ungewöhnliche Freiheit gespürt.

Nur die Anwesenheit von Mister Red hebt ihre Stimmung etwas.

„Verzeih mir meine Abwesenheit, aber ich habe sie beobachtet. Sie sind unglaublich.", beginnt er so aufgeregt zu erzählen.

„Der Ältere, Emmod, hat unmenschliche Reflexe. Er kann zwar ziemlich frech und vorlaut sein, aber das Wohl seiner Familie ist ihm am wichtigsten.

Der Jüngere, Novel, kann in der Finsternis sehen, als wäre es helllichter Tag. Er ist zwar nicht die hellste Birne, handelt oft intuitiv und unüberlegt, aber sein Herz ist am rechten Fleck.", sagt er, „Es wäre allerdings gut, wenn du das für dich behältst. Sonst bekomme ich noch Ärger mit ihrer Mutter.", fügt er amüsiert hinzu.

„Ich sehe sie sowieso niemals wieder.", sagt Lina und dreht sich auf ihren Bauch, bevor sie ein Kissen ergreift.

„Manchmal hasse ich mein Leben.", sagt sie frustriert ins Kopfkissen, gefolgt von mehreren Sekunden Stille.

„Ich hoffe, es geht ihm gut.", hört Mister Red undeutlich von Lina.

„Wen? Novel?", fragt er, „Mach dir keine Sorgen."

„Aber der Tritt war nicht ohne.", gibt Lina bedenklich zu.

„Ach, der kommt schon zurecht.", winkt Mister Red ab.

„Wie war es denn die letzte Zeit bei dir?", lenkt er das Gespräch um.

„Grausam.", beginnt Lina und setzt sich aufrecht hin, „Egal wohin Vyncent und ich gegangen sind, durften wir nur in Begleitung von Greynyx, Enryn, Stewart oder Suse.", erzählt sie, „Vater hat Sachen nach mir geworfen, als ich mich darüber beschwerte. Aber das ist noch nicht alles."

„Was denn noch?", fragt Mister Red.

„Am gleichen Abend, nach den Angriffen im Händlerviertel, hat Vater alle Offiziere zu einer Besprechung einberufen. Sie sind zu dem Entschluss gekommen, dass sich ein Verräter in unserem engsten Kreis befindet - eine Person, die ein doppeltes Spiel spielt und Informationen nach außen trägt. Und das seitdem Vater an der Macht ist."

Dann erzählt sie von den letzten Momenten der Zusammenkunft der Offiziere.


Riffin räusperte sich.

„Mein König, wie sollen wir vorgehen?", versuchte er, die angespannte Stille zu unterbrechen. „Wie finden wir diesen Verräter?"

Edmur fixierte ihn mit einem durchdringenden Blick.

„Überwacht jeden. Vertraut niemanden. Jedes noch so kleine Detail oder jede noch so unwichtig scheinende Information könnte der Schlüssel sein den Verräter zu finden."

Die Offiziere nickten, obwohl die Luft schwer von Angst und Verdacht war. Als sie aufstanden, warfen sie misstrauische Blicke über die Schulter, niemandem trauend.

Der Verrat kränkte Edmur so sehr, dass er begann, jeden als Verräter zu beschuldigen und sich dafür die absurdesten Anschuldigungen ausdachte.

„Mutter entschied, dass er eine Pause benötigte, weshalb sie praktisch über Nacht verschwanden, ohne dass viele eingeweiht wurden."

Lost Ones - Ein falscher KönigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt