Kapitel 16 - Der Hutmacher

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Der Regen peitscht gegen die Fenster, während Blitze den Himmel durchzucken.

Im Whitepool-Viertel, in einem kleinen Häuschen, neben einer Scheune, lässt sich Korbach Redurb schwer in den tiefen, abgenutzten Sessel fallen, während sich seine Schultern vor Erschöpfung senken. Trotz der weichen Polster bringt der Sessel seiner aufgewühlten Seele keinen Frieden.

Korbachs Gedanken kreisen um die erschütternden Neuigkeiten, die ihm Ko heute mitgeteilt hatte. Jeder Blitz am Himmel spiegelt die Unruhe in seinem Geist wider, sodass er sogar vergessen hat, ein Licht in seinem Zimmer anzumachen.

Vor ihm, auf den abgewetzten Teppich, liegt der Brief, den Korbach für Ko verfasst hat und zu seinen ‚Freund von weit weg' schicken soll. Sein Blick haftet starr auf den Worten, als könnten sie ihm eine Hilfe sein, über den Verlust den nicht nur Ko zu tragen hat, über seinen Freund von weit weg und über zukünftige Ereignisse, die er sicher ins Rollen bringen wird, wenn er den Brief abschickt. Durch das trübe, regnerische Glas seines Fensters erkennt er die Gestalt einer Frau, die mehrmals an die Haustür klopft. Er ist so tief in seinen Gedanken versunken, dass er sogar die mehrmaligen Rufe seines Namens kaum wahrnimmt. Als er realisiert, dass diese nicht seiner Fantasie entstammen, kriegt er sich wieder ein und stolpert buchstäblich zur Tür, dreht den Schlüssel im Schloss und öffnet sie.

„Emina.", sagt er erschrocken, „Was machst du denn hier?!"

„Korbach.", antwortet sie hastig, „Meine Kinder?"

„Was?", entgegnet er perplex.

„Meine Kinder.", wiederholt sie, langsam zu Atem kommend, „Sie sind nicht nach Hause gekommen. Sind sie hier?"

„Deine K...."

Da fällt es ihm wieder ein.

„Oh nein."

Eilig greift er nach seinem Mantel.

„Weißt du etwas?", fragt sie nervös.

„Wir beeilen uns besser. Ich erkläre dir alles auf dem Weg."


Korbachs Haus liegt zwischen seinem Laden und der Hütte von Ko.

Diese erreichen sie keine 15min später.

Auf dem Weg dorthin müssen sie nur aufpassen, vor den wenigen Soldaten auf den Straßen unentdeckt zu bleiben. Das Einzige, was problematisch ist und sie mehr oder weniger verlangsamt, ist Korbachs Alter. Mit 74 Jahren ist er nicht mehr der Jüngste und Schnellste, kennt dagegen so gut wie jede Ecke und jedes noch so kleine Versteck in der Stadt. Diese Erfahrung gleicht seine mangelnde Agilität und Schnelligkeit gut aus.

Korbach erzählt Emina auf ihrem Weg, wie Emmod und Novel heute bei ihm im Laden aufgetaucht sind und auch von Kos plötzlicher Rückkehr.

„Hat er sonst noch was erzählt?", fragt Emina nebenbei, während sie sich vergewissert, dass sie sicher die Straßenseite wechseln können.

Ko hat noch vieles erzählt, aber nichts davon will Korbach in diesen Moment Emina zu Herzen legen.

„Nichts wichtiges.", lügt er und vermeidet dabei ihren Blick.

Natürlich hätte Korbach ihr über die Ereignisse in Saharka oder den Brief, den er für Ko verfasst hat, erzählen können, doch er kennt auch Eminas Standpunkt dazu. Er weiß, dass sie es niemals erlauben und ihm nie verzeihen würde, wenn er den Brief abschickt.

Über die Geschehnisse in Saharka und über den Brief kann ihr Ko am besten selbst berichten, denkt er sich.

Emina, die bereits auf der anderen Straßenseite steht, winkt ihn zu sich.

Lost Ones - Ein falscher KönigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt