Kapitel 18 - Die letzten Erinnerungen eines toten Mannes

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Während sie auf Mister Red blicken, erinnert sich Emmod an die feuchte Kühle der Luft und das leise Zwitschern der Vögel, als sie früh morgens gemeinsam aufgebrochen waren. Auch Novel kann die Atmosphäre beinahe wieder spüren, denn Mister Reds plötzliches Erscheinen ist kein Zufall. Es war genau geplant.


Die ersten Sonnenstrahlen kämpften sich müde durch den Nebel, der die stillen Straßen von Rilgohin bedeckte. Die Gassen waren menschenleer und das kam Emmod und Novel entgegen. Versteckt in den Baumkronen der alten Bäume, beobachtete Mister Red die Brüder, seit sie ihr Haus verlassen hatten. Seine scharfen Augen folgten jedem ihrer Schritte, während er leise von Ast zu Ast huschte, bis er sich direkt über den Brüdern befand.

Als sie unter ihm hergingen, ließ er sich geschmeidig auf einen tiefhängenden Ast gleiten, wo er sich bemerkbar machte.

„Wisst ihr... Ich bin nicht euer persönlicher Handlanger, der bei jedem eurer Fingerschnipsen kommt und eure Wünsche erfüllt."

„Und doch bist du hier.", sagte Novel mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.

„Und doch bin ich hier.", wiederholte Mister Red mit einem resignierten Seufzen und taumelte den Ast hinunter, um auf Novels Schulter zu landen.

„Mein aufrichtiges Beileid für den Verlust eures Onkels. Ein Familienmitglied zu verlieren ist niemals einfach.", sagte er ernüchternd, woraufhin eine kurze, trübsinnige Stimmung bei den beiden hochkam.

„Also hat Lina den Brief erhalten.", hob Emmod die Stimmung, bevor sie langsam weitergingen.

„Aber natürlich.", sagte Mister Red.

„Hat ihn noch jemand gelesen?", fragte Emmod weiter.

„Bevor Lina ihn bekommen hat, wurde er nur vom Butler des Hauses geprüft.", antwortete Mister Red, „Aber er hat sich anscheinend keine allzu großen Gedanken darüber gemacht. Dafür war der restliche Teil des Briefes zu undurchsichtig. Selbst der Tod eures Onkels ließ ihn schon beinahe verdächtig kalt und dass ihr euch mit mir treffen wolltet.", erklärte er.

„Daher meine Frage: Wieso wolltet ihr euch mit mir und nicht mit Lina treffen?"

„Um ehrlich zu sein, wollen wir uns mit ihr treffen.", antwortete Emmod.

„Nur weiß sie noch nichts davon.", fügte Novel verlegen hinzu.

Aber warum macht ihr es nicht wie zuvor und sorgt dafür, dass alle über das Treffen informiert sind?"

„Das war ja mehr oder weniger nur eine Wiedergutmachung.", sagte Novel, „Außerdem ist es nicht dasselbe, wenn wir immer in Anwesenheit von ihren Wachen sind."

„Wenn ich fragen darf – wie hattet ihr euch das denn sonst vorgestellt?"

„Scheinbar gibt es bestimmte Wege..." „...von denen so gut wie keiner weiß..." „...durch die man ungesehen in die Burg oder aus ihr herausgelangt.", führten sie behutsam und leise aus.

Derweil strich Mister Red nachdenklich über sein Kinn.

„Wir hatten überlegt, dass du dich mit uns in der Burg triffst, wenn wir wissen, wo wir herauskommen, Lina Bescheid gibst und sie zu uns bringst."

Aber Mister Red war von den Gedanken noch nicht so weit.

„Ihr meint doch die unterirdischen Geheimgänge, nicht?", fragte er und seine Augen weiteten sich vor Überraschung.

„Was!?", brüllte Novel, „Woher weißt du von den unterirdischen Geheimgängen?"

Schneller als er gucken konnte, befand sich Emmods Ellbogen in seinen Rippen.

Lost Ones - Ein falscher KönigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt