Kapitel 6 - Mister Red

3 1 0
                                    

Am gleichen Abend kehren die Brymbach Brüder nach Hause zurück. Ihre Mutter war schockiert, als sie die Explosionen in der Stadt hörte. Umso größer ist ihre Erleichterung, als sie ihre Kinder unverletzt, auf der kratzigen Fußmatte, vor der Haustür, reden hört.

Emmod und Novel leben seit ihrer Geburt unter ärmlichen Verhältnissen in einer dünn besiedelten, ruhigen Nachbarschaft im Whitepool-Viertel, zusammen mit ihrer Mutter, die ihre Söhne allein großgezogen hat.

Für Emina ist die ruhige Nachbarschaft aber keineswegs von Nachteil. Denn das bedeutet, dass sich hier ebenso selten Soldaten aufhalten, was ihr gelegen kommt, da ihre Söhne über die Jahre ein besonderes Talent dafür entwickelt haben, die Aufmerksamkeit der Soldaten auf sich zu ziehen.

„Geht es euch gut? Seid ihr verletzt?", fragt Emina panisch, während sie die Arme und Beine ihrer Söhne abtastet und dabei flüchtig Augenkontakt sucht.

Nachdem sie ihre Untersuchung abgeschlossen hat, atmet sie erleichtert auf.

„Ich habe mir solche Sorgen um euch gemacht.", sagt sie, die Stimme von Emotionen erstickt.

„Alles in Ordnung, Mama.", entgegnet Emmod, leicht genervt von der Untersuchung.

„Gut, dass ich euren Onkel geschickt habe, sonst hätte das böse enden können.", erwidert Emina und wischt sich die Tränen aus den Augenwinkeln.

„Du denkst immer so negativ, Mama.", sagt Novel.

„Naja.", schaltet sich Emmod ein, „Hätte Onkel Ko dich heute nicht auf den Marktplatz gefunden, wer weiß, was passiert wäre.", sagt er achselzuckend.

„Sieh an, wer da spricht.", kontert Novel, „Wegen dir wären wir beinahe drauf gegangen."

„Ich hatte alles im Griff.", wehrt Emmod ab.

„Der Einzige, der heute scheinbar alles im Griff hatte, war euer Onkel.", wirft Emina ein.

Erst jetzt wird ihnen bewusst: „Warte, du hast ihn zu uns geschickt?"

„Euer Onkel war heute hier. Wir haben die Explosionen gehört, und daraufhin hat er sich direkt auf den Weg gemacht, euch in der Stadt zu suchen."

„Warum war er hier?", fragt Emmod.

„Er wollte mit mir sprechen."

„Worüber?", drängt Novel.

„Das könnt ihr ihn selbst fragen.", antwortet Emina, „Ihr werdet übermorgen den Tag mit ihm verbringen."

Emmod und Novel freuen sich darauf, Zeit mit ihrem Onkel zu verbringen, aber ihre Mutter ist noch nicht fertig mit ihnen.

„Emmod, du gehst dich als Erstes waschen.", weist sie ihn an.

„Mama, ich muss dir etwas zeigen.", sagt Novel nun völlig aus dem Häuschen.

„Mit dir habe ich noch ein Hühnchen zu rupfen.", erwidert Emina.

Novel hebt verwundert die Augenbraue.

„Wo hast du heute Morgen gesteckt?!"

Seine Gesichtszüge verändern sich schlagartig, da er am Morgen vor Sonnenaufgang, unbemerkt und ohne Bescheid zu sagen das Haus verlassen hatte.

In der Zwischenzeit steigt Emmod die Treppe mit dem weißen Geländer hinauf ins Obergeschoss.

Ein paar Schritte weiter liegt das einzige Badezimmer des Hauses, ein schmaler Raum, der kaum Platz für zwei Personen bietet. Hier wäscht sich Emmod, während Novel von seiner Mutter eine ordentliche Standpauke erhält. Hinter dem Badezimmer befindet sich das gemeinsame Schlafzimmer der Brüder, das sie ausschließlich zum Schlafen nutzen. Das sind die einzigen Räume im Obergeschoss.

Lost Ones - Ein falscher KönigWo Geschichten leben. Entdecke jetzt