Kapitel 12

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Dezember, 1977

„Severus, gibst du mir bitte die Würstchen im Schlafrock?"

Severus blickte von seinem Teller auf und sah, dass Abaraxus ihn erwartungsvoll ansah, seine Weihnachtsmütze aus Papier leicht schief auf dem Kopf. Es war ein seltsamer Anblick, Malfoy Manor am Weihnachtsabend. Wie man es von einer Familie erwarten würde, die das ganze Jahr über Albinopfaue hielt, mangelte es dem Herrenhaus gewiss nicht an Dekoration. Im Salon stand der größte Weihnachtsbaum, den Severus je gesehen hatte - einschließlich des Baumes, der normalerweise in der großen Halle in Hogwarts stand. Er war mit Silber überzogen: Weihnachtskugeln, Lametta und magische Kerzen, die beim Schweben funkelten, aber nicht die Wärme echter Flammen hatten. Der Rest des Anwesens war ähnlich grün und silbern dekoriert, mit ein paar - sehr geschmackvollen - roten Farbtupfern dazwischen. Es ging einfach nicht an, Unmengen von Gryffindor Farben zur Schau zu stellen, nicht einmal während der Feiertage.

Das Esszimmer, in dem sie jetzt saßen, war mit Stechpalmenzweigen geschmückt, die die Deckenbalken zierten, und ein lebensgroßer silberner Schlitten stand vor dem Kamin, in dem sich das Feuerlicht spiegelte. Der Tisch war mit dem feinsten Weihnachtsgeschirr der Malfoys gedeckt, komplett mit magischen Rentieren, die um den Rand der Teller liefen. Und auf dem Tisch stand weder ein Truthahn noch eine Gans, sondern ein Drei-Vogel-Braten: Fasanenbrust, gefüllt mit einer Ente, gefüllt mit einem Truthahn.

Severus fand das alles ein bisschen viel. Er reichte die Würstchen im Schlafrock an den älteren Malfoy weiter und warf einen Blick über den Tisch auf seine Begleitung für den Abend. Er hatte natürlich erwartet, mit Lucius zu essen, der neben ihm saß, und mit seinem Vater Abaraxus, der ihnen direkt am Tisch gegenüber saß. Was er nicht erwartet hatte, war, dass Heiligabend auf Malfoy Manor wirklich eine Familienangelegenheit war. Lucius Verlobte Narcissa war zusammen mit ihren Eltern und ihrer Schwester Bellatrix, deren dunkle Locken ihr über den Rücken fielen, eingeladen worden.

Jedes Mal, wenn er sie aus dem Augenwinkel erblickte, wurde Severus viel zu sehr an eine andere Hexe erinnert, die er an diesem Abend nicht sehen würde. Belatrix war natürlich bereits mit Rodolphus Lestrange, der links von Severus saß verheiratet, und sogar die Bulstrodes, sehr entfernte Verwandte mütterlicherseits, wie Lucius ihm mitgeteilt hatte, hatten sich zum Weihnachtsabendessen zu ihnen gesellt. Und am Kopfende des Tisches saß der geheimnisvolle Tom Riddle, der seltsamerweise nicht mit den Malfoys verwandt war. Severus fand jedoch, dass er in seiner zerknitterten lila Weihnachtskrone etwas weniger einschüchternd aussah als bei ihrer ersten Begegnung. Am Tisch wurde leise geplaudert, und Severus antwortete höflich, als Rodolphus ihn fragte, welche NEWTs er belegte, wie Hogwarts in diesen Tagen war, ob er den Truthahn etwas zu trocken fand, und so weiter und so fort. Er konnte jedoch nicht umhin, sich ein wenig fehl am Platz zu fühlen. Seine Weihnachten verbrachte er normalerweise in Spinner's End, wo sich sein Vater in einen Vollrausch säufte und seine Mutter versuchte, und scheiterte, ein kleines Hühnchen zu braten und ein paar Sprossen zu kochen. Und das war ein gutes Weihnachten für die Snapes. Die weniger guten endeten meist damit, dass Gläser an der Wand zerschellten und Severus mindestens bis Neujahr ein blaues Auge hatte.  Aber diese Weihnachtsfeste waren längst vorbei. Dafür hatte sein Vater im letzten Sommer gesorgt.

Severus nahm einen langen Schluck aus dem Weinglas vor ihm. Das war eine Sache, die er an den Malfoys schätzte, sie waren wirklich großzügig mit ihrem Alkohol. Jedes Mal, wenn er sein Glas halbwegs geleert hatte, erschien ein Hauself und füllte es wieder auf. Er fühlte sich leicht benebelt, und das langweilige Gespräch mit Rodolphus schien plötzlich etwas erträglicher.

"Wie sieht's aus, Snape, gibt es heutzutage irgendwelche Mädchen in Hogwarts?" ,Lestrange lallte leicht, offensichtlich noch mehr vom unbegrenzten Wein beeinflusst als Severus.

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