Atlantischer Ozean, 12. April 1912
Am nächsten Morgen erwachte Harry erst spät, das schummrige Licht der Deckenlampe ließ ihn die Augen zusammenkneifen. Sein Kopf dröhnte, der Schmerz war dumpf und rau, und die Helligkeit blendete.
„Na, auch schon wach?", flötete Niall, der sich über ihn gebeugt hatte.
Harry zuckte erschrocken zusammen und sah seinen besten Freund mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Sein Gesichtsausdruck war irritiert, und er brauchte eine Weile, um zu begreifen, was um ihn herum geschah.
Während seine braunen Locken aussahen, als hätten sie seit drei Wochen keinen Kamm mehr gesehen, schien Niall bereits seit einer Weile wach zu sein.
Frisch gewaschen und gekämmt ließ er sich auf Harry's Bett fallen und grinste ihn amüsiert an. „Du siehst echt scheiße aus."
Harry rollte mit den Augen und bereute es noch im selben Moment, als sein Kopfschmerz sich verstärkte. Vielleicht hätte er gestern doch nicht so viel trinken sollen. „Danke."
„Du bist wirklich nichts mehr gewohnt", stellte Niall kopfschüttelnd fest. „Du bist ja völlig aus der Übung."
Harry verzog das Gesicht, als er sich aufsetzte. Er legte den Kopf in die Hände und atmete ein paar Mal tief durch. „Halt die Klappe."
Wie konnte Niall nur so fit sein?
Sie hatten bis in die frühen Morgenstunden getanzt, getrunken und sich unterhalten. Harry wusste nicht, wie lange es her war, dass er so viel gelacht hatte - die Erinnerung an den gestrigen Abend war trotz des Alkohols lebendig.Gerade, als Niall ihm eine bissige Antwort zurückgeben wollte, hörten sie laute Stimmen auf den Gängen außerhalb des Zimmers.
Es herrschte eine seltsame Unruhe auf dem unteren Deck.Plötzlich ertönte lautes Rufen von den Gängen, und die Türen zu den Kabinen der dritten Klasse wurden hastig geöffnet und geschlossen. Männer in Uniformen der White Star Line bewegten sich schnell und kontrollierten Papiere der Passagiere.
„Was haben die denn jetzt für ein Problem?", fragte Niall, während er aufstand und entnervt die Augen verdrehte.
Harry zuckte die Schultern, aber auch er spürte, dass etwas nicht stimmte. Noch bevor sie sich darüber unterhalten konnten, trat ein nervöser Steward in den kleinen Raum. „Bitte entschuldigen Sie die Störung, meine Herren", sagte er formell, „aber wir vermuten einen Krankheitsausbruch in der dritten Klasse. Wir führen zur Sicherheit Gesundheitskontrollen durch."
Niall riss die Augen auf. „Krankheit? Was für eine Krankheit?"
Der Steward blieb professionell ruhig. „Nur ein Verdacht. Es könnte ein Fieber sein, oder eine Infektion, die jemand mitgebracht hat. Wir möchten die Sicherheit aller Passagiere gewährleisten."
„Fieber?", murmelte Harry und spürte, wie sich eine unangenehme Unruhe in seinem Magen breit machte.
Die Situation wurde schnell ernster, als sie sahen, wie mehrere Männer und Frauen aus ihren Kabinen geführt und medizinisch untersucht wurden. Die Crew handelte effizient, aber die Anspannung wuchs, als Gerüchte die Runde machten, dass es sich um Typhus handeln könnte, eine Krankheit, die auf Schiffen nicht ungewöhnlich war.
„Das ist nicht gut", sagte Niall düster, während er zusah, wie ein Arzt einem jungen Mann die Stirn fühlte.
„Wir sollten vielleicht auch...", begann Harry, aber er unterbrach sich, als er sah, dass ein Mitglied der Crew sich in ihre Richtung bewegte.
„Könnten Sie bitte ebenfalls zur Untersuchung mitkommen?", fragte der Steward höflich, aber bestimmt.Harry und Niall tauschten einen schnellen Blick aus und folgten dem Mann aus dem Raum. Die Situation wurde zunehmend angespannt, als sie entlang der engen Gänge der dritten Klasse geführt wurden, vorbei an besorgten Gesichtern und weinenden Kindern. Die Stimmung an Bord war merklich gekippt, und die plötzliche Bedrohung durch einen möglichen Krankheitsausbruch ließ das luxuriöse Abenteuer auf der Titanic in einem völlig neuen Licht erscheinen.
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Titanic
FanficAuf der Titanic, dem größten und luxuriösesten Schiff der Welt, kreuzen sich die Wege zweier Männer aus vollkommen unterschiedlichen Welten. Louis, ein wohlhabender Erbe, reist in der ersten Klasse, voller Erwartungen auf ein neues Leben in New York...