Kapitel 23: Der Abschied

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Ich stand erneut um 7:56 Uhr auf - immer um diese Zeit, als wäre mein Körper dazu verdammt, die Ruhe zu verweigern. Dieses Mal würde ich es anders angehen, dachte ich mir. Ich sagte es sogar leise vor mich hin und lächelte dabei, so als müsste ich jemanden - vielleicht mich selbst - davon überzeugen, dass es wirklich stimmte.

Langsam zog ich meine Hose an, die vom letzten Mal immer noch zerschlissen und am Knie fleckig war. Der Schmutz und der Geruch spielten keine Rolle. Mein Ziel war der Handwerkermarkt, und ich spürte dabei eine seltsame Entschlossenheit, die mich aus der Wohnung trieb.

Die kühle Luft schlug mir ins Gesicht, als ich hinausging, aber das war mir egal. Mit festen Schritten machte ich mich auf den Weg - als wäre das alles ein gut durchdachter Plan, ein Pfad, den ich unbedingt gehen musste.

Der Moment, als ich den Handwerkermarkt betrat, war eigenartig surreal. Ich schob den Einkaufswagen langsam vor mir her und ließ den Blick durch die Gänge schweifen. Überall Menschen, die eilig Waren in ihre Wagen packten - Holz, Schrauben, Farben, Seile - alles, was man für das tägliche Leben, für irgendwelche Projekte braucht. Für mich jedoch fühlte sich der Moment fremd und seltsam leer an. Diese Leute hatten offensichtlich Pläne, kleine Vorhaben, die ein bisschen Bedeutung in ihren Alltag brachten. Ich dagegen war hier aus einem ganz anderen Grund.

Fast wie von Geisterhand geführt, lief ich durch die Gänge und suchte gezielt die Gegenstände, die ich brauchte. Mein Kopf war seltsam klar, der Gedanke an das, was ich vorhatte, hatte alle anderen Zweifel zum Verstummen gebracht. Ich nahm das Seil vom Regal und spürte das raue Material in meinen Händen. Es war dick und fest, genau das, was ich brauchte. Ich legte es in den Wagen und ging weiter, nahm einen Haken dazu, einen, der stark genug war, mein Gewicht zu tragen. Während ich all diese Gegenstände in den Wagen packte, wirkte es fast so, als würde ich einen ganz normalen Einkauf tätigen - als würde ich einfach die Zutaten für ein Rezept zusammensuchen.

Im Gang für Werkzeuge blieb ich einen Moment stehen und griff nach einem Schraubenzieher und einem Bohrer. Ich betrachtete die Geräte in meinen Händen und spürte ein Zittern, das durch meine Fingerspitzen ging. War das Angst? Oder nur der Kälteschauer, der mich seit Tagen umgab? Ich wusste es nicht. Ein kurzer Gedanke blitzte auf, ein Bild von Amy, von ihrer sorgenvollen Miene, doch ich schüttelte den Gedanken schnell ab und legte die Werkzeuge in den Wagen. Ich konnte jetzt keine Zweifel gebrauchen, keine Fragen, keine Erinnerungen. Nur Stille.

Kurz bevor ich zur Kasse ging, blieb ich vor einem Kühlschrank nahe dem Ausgang stehen. Dutzende Flaschen, Dosen und Getränkepackungen waren darin aufgereiht, und ich griff nach einem kalten Bier. Es war wie ein kleiner Trost für die bevorstehende Stille, ein symbolischer Schluck, der die Last für einen Moment mildern sollte. Die eisige Flasche in meiner Hand fühlte sich fast tröstlich an, ein letzter Begleiter für den Weg nach Hause.

Als ich in der Warteschlange stand, fiel mein Blick auf einen Kalender an der Wand. Der 24. November. In einem Monat war Weihnachten. Ein bitteres Lachen drang unwillkürlich aus meiner Kehle. Weihnachten... Das Fest der Liebe und der Familie, ein Tag, den man mit den Menschen verbringt, die einem am meisten bedeuten. Was für ein Hohn, dachte ich. Ich, allein in meinem verstaubten Apartment, ohne Freunde, ohne Familie - nur noch ein Hauch von einem Leben, das früher einmal Bedeutung gehabt hatte.

Die Kassiererin sah mich kurz an, als ich das Seil, den Haken und die Werkzeuge auf das Kassenband legte. Ein flüchtiger Blick, den ich kaum wahrnahm, dann ging sie wieder ihrer Arbeit nach und scannte meine Artikel. Mir war klar, dass es für sie nur ein normaler Arbeitstag war, nichts Außergewöhnliches. Doch für mich war dies der letzte Einkauf, der Punkt, an dem mein Weg enden würde.

Ich zahlte, nahm die Tüte und verließ den Markt, das Bier in der einen Hand und die Tüte in der anderen.

Es fühlte sich an, als trüge ich die ganze Welt auf meinen Schultern, und dennoch lief ich weiter, Schritt für Schritt, mit dieser schweren Tüte aus dem Handwerkermarkt und dem kalten, halbvollen Bier in der Hand. Die Kälte biss in mein Gesicht, meine Finger waren taub, und meine Kleidung - löchrig und verschmutzt - schützte mich kaum vor dem eisigen Wind. Doch das war mir egal. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte ich eine Art von Frieden, eine trügerische Ruhe, die sich langsam und gleichmäßig in meinem Inneren ausbreitete.

Mein Name ist Sam...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt