Jared

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Heute Nacht flutschte mir die Arbeit nur so von der Hand. Sogar Ernie hat gespürt, dass ich nicht so miesepetrig bin, wie sonst. Aber er sagte nix, so ist er. Ich habe es in seinen Gedanken gelesen, dass er sich für mich freut.

Mein Spiegelbild gefällt mir zwar immer noch nicht, aber ich lächle mir trotzdem zu. Meine Gesichtszüge sind voller geworden, ich sehe nicht mehr ganz so abschreckend aus, wie gestern morgen. Hm, wie schnell sich innerhalb von 24 Stunden alles ändern kann! Es wäre zu schön, wenn das mit Vera und mir klappen könnte. Doch im Grunde genommen weiß ich, welches Risiko ich eingehe. Shane wacht über mein Leben, er taucht immer auf, wenn ich versuche, ein „normales" Leben zu führen. „Normal" an menschlichen Maßstäben gemessen, natürlich.

Doch: „Du bist ein Vampir, Jay. Du gehörst in die Gemeinschaft, nicht zu den Menschen. Komm nach Hause!"

Sagte mir Shane vor einem Jahrhundert. Nun, ich zog die Anonymität immer dem Herdenleben vor. Ich wollte nie zur „Clique" gehören, ihre blöden Rituale nerven mich. Außerdem hasse ich das, was ich bin. Was mich noch am Leben hielt, kann ich nicht sagen. Ich funktionierte einfach, nährte mich so wenig wie möglich, arbeitete, schlief. Früher habe ich mir ab und an Sex bei Prostituierten geholt, aber das hat mich irgendwann auch nicht mehr befriedigt.

Vielleicht hatte ich noch Hoffnung in mir, dass sich vielleicht irgendwann etwas ändern könnte. Dass Shane irgendwann ruhiger wird, ich ihnen egal werde. Und ich vielleicht doch eine Frau finde, mit der ich eine Zeitlang leben darf.

Ich hatte ein paar Mal probiert, in einer Beziehung zu sein, mit Menschen sowie Vampiren. Als Kind des Barocks (daher mein Faible für kurvige Frauen) trage ich schon einige Jahrhunderte auf dem Buckel. Am Anfang habe ich mich natürlich ausgetobt, bin ja schließlich erst 30 Jahre alt. Nun, in der heutigen Zeit ist es jung, damals war mein Leben fast zu Ende, als ich von Shane infiziert wurde. Dann kam die Lethargie, alles gesehen, alles gelebt, was will ich noch? Doch jetzt ist es anders, irgendwie freue ich mich, nach Hause zu kommen, bis mir einfällt, dass sie ja gar nicht da sein wird, sie ist ja jetzt arbeiten gegangen. Also keinen Grund, sich zu beeilen.

Heute kann ich ganz entspannt durch die Gassen schlendern.

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