Empire state of mind part II

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Vera

Während die Haltestange unter seinem Griff zerbricht wie morsches Holz, hält die Bahn. Der Krach weckt mich aus der Verzauberung und ich reagiere blitzschnell (was für mich wirklich selten ist!), nehme alle meine Kraft zusammen und schiebe mich durch die Menge. Schubse, drängele, trete die Menschen, ohne Rücksicht auf Verluste.

Ohne mich irgendwie umzuschauen, schaffe ich es tatsächlich durch die Tür auf den Bahnsteig. Mein Herz rast wie verrückt und ich bin mir der Gefahr bewusst, in der ich wohl noch bin.

Ich renne einfach blind weiter, boxe mich durch die Passanten, nehme so viele Abzweigungen wie möglich, ohne mein Ziel wirklich zu kennen. Einfach nur weg hier, weg von diesem Zauber, den er über mich gelegt hatte. Für mich als untrainierte, übergewichtige Büroangestellte ist das Rennen der blanke Horror und mir tut alles weh. Ich widerstehe dem Drang, mich einfach hin zu werfen und zu sterben. Mein Überlebenswille scheint wieder da zu sein, seit diese merkwürdige Berauschtheit von mir abgefallen ist. Ich renne einfach weiter und weiter. Tränen laufen mir die Wangen runter, Tränen der Angst, der Anstrengung.

Es kommt mir sehr merkwürdig vor, dass er mich nicht schon längst eingeholt hat. Vielleicht ist er ja gar nicht mehr hinter mir her? Vielleicht könnte ich doch stehenbleiben? Mich ausruhen? Meine Lunge platzt gleich. Nein, ein bisschen Sicherheitsabstand noch, rede ich mir zu, und bringe noch mal Kraft auf für eine letzte Abzweigung im New Yorker Tunnelsystem. Schließlich kann ich wirklich nicht mehr und renne in die nächste Damentoilette. Ich sehe mich um und stelle fest, dass sie komplett leer ist.

Oh, Mann. Ich bin ganz allein. Keine gute Idee! Obwohl, er hätte mich wohl auch im vollen Abteil getötet, also ist es doch egal! Keuchend beuge ich mich vor, die Hände auf meine Oberschenkel gepresst, und ringe nach Atem. Nur eine klitzekleine Pause... ein bisschen zu Atem kommen. Weiter, ermahnt mich mein Unterbewusstsein, du musst hier weg! Ich hole tief Luft, drehe mich zur Tür, und in diesem Moment wird sie von der anderen Seite aufgestossen.

Ich hätte mich wirklich über eine Gruppe kichernder Schulmädchen gefreut.


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