~Kapitel 38~

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Merry Christmas
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Rouen 25.11

PoV. Pierre

"Ich hab Angst, Pierre.", blickte Max mich gute eineinhalb Stunden später als rot verweinten Augen an. Klammerte sich fest an meine Hand. Gemeinsam standen wir im Vorbereitungsraum des OP-Saals in dem jeden Augenblick die Operation für den Notfallkaiserschnitt beginnen würde. Das kleine Wunder hatte mit seinem Tritt Max Rippe tatsächlich so ungünstig erwischt, dass keine andere Wahl bestand, als den Kaiserschnitt jetzt schon durchzuführen. Jede weitere ungünstige Bewegung von Max oder dem kleinen Wunder könnte die beiden im schlimmsten Fall in Lebensgefahr bringen. "Ich auch, aber Valerie hat gesagt, dass der Arzt, der dich mit ihr operieren wird einer der allerbesten ist auf seinem Gebiet. Die beiden werden das schaffen...", versuchte ich uns beiden Sicherheit zu geben, denn auch ich selbst hatte ein flaues Gefühl im Magen, auch wenn ich genau wusste, dass diese OP die beste Option war. "Ich liebe euch beide, mon merveille, so unglaublich. Ich bin da wenn du wieder aufwachst. Bis nachher mon petit merveille ich freue mich dich gleich persönlich kennenzulernen.", hauchte ich Max einen Kuss auf die Stirn und strich vorsichtig über den Bauch des Niederländers, als eine der OP-Schwestern zu uns trat und nach der Atemmaske griff. "Ich liebe dich auch Pierre.", klammerte sich Max nocheinmal an meiner Hand fester an meine Hand, als die Schwester ihm ganz vorsichtig, so wie sie es uns zuvor erklärt hatte, die Atemmaske überzog. Sanft zeichnete ich mit meinem Daumen wirre Muster aus seinen Handrücken, bis die Narkose einige Augenblicke später zu wirken begann und sein Griff um meine Hand etwas schwächer wurde. "Ich würde Sie bitten nun nach draußen gehen. Ich informiere Sie sobald der Kaiserschnitt durchgeführt wurde.", bat mich eine zweite Schwester in OP-Kleidung freundlich darum den Saal zu verlassen. Öffnete mir über einen Schalter die Tür zum Flur. Mit einem letzten Blick zu Max verließ ich schweren Herzens den Raum und trat auf den fast menschenleeren Flur hinaus. Sofort waren Marcus und Cyril bei mir. Fest zog mein älterer Bruder mich in meine Arme.  Sofort nutze ich die Gelegenheit. Lehnte mich mit geschlossenen Augen müde und gleichzeitig unfassbar angespannt gegen meinen Körper. Ich hatte Max versprochen, dass ich bei ihm sein würde, wenn er Kaiserschnitt anstand und wir das gemeinsam schaffen würden. Er hatte so Angst davor, fühlte sich überhaupt nicht wohl dabei komplett machtlos zu sein. Zu wissen, dass er jetzt völlig alleine dort im OP lag unter Vollnarkose fühlte sich überhaupt nicht gut an, auch wenn es für ihn und das kleine Wunder die beste Entscheidung war. "Max ist bei den Ärzten in guten Händen, Pierre.", strich Cyril mir ruhig über den Rücken. "Ich weiß... es ist trotzdem schwer. Ich hatte ihm versprochen dabei zu sein.", gab ich nur leise zurück. War gerade einfach nur froh, dass ich hier gerade nicht alleine mit meinen Gedanken war.

"Mach dir keine Vorwürfe Marcus... du kannst nichts dafür, dass Max sich die Rippe gebrochen hat.", setzte ich mich neben den Neuseeländer, der einige Meter von Cyril und mir entfernt auf einem Stuhl zusammengesunken war und über sein Handy mit jemanden zu schreiben schien. "Wenn ich mit dem Messer etwas vorsichtiger gewesen wäre.... Max hat mich noch gewarnt, weil das Messer frisch geschärft war..", blickte er mich bekümmert, voller Schuldgefühle an. Legte sein Handy achtlos auf den freien Stuhl auf seiner anderen Seite. "Dann hätte es vielleicht einen anderen Grund gegeben. Niemand gibt dir die Schuld an der Situation. Viel mehr bin ich froh, dass du in den ganzen letzten Stunden für Max da warst. Bei ihm warst und ihm Sicherheit gegeben hast.", legte ich dem Jüngeren einen Arm um die Schultern und zog ihn an meine Seite. "Wie geht es deinen Fingern?", fiel mein Blick auf seine von zwei großen Pflastern gezierte Hand. "Es geht, dass verheilt schon wieder. Es sind nur zwei Schnitte...", wirkte Marcus noch immer ziemlich niedergeschlagen, während mein Blick wieder zu der Tür des Operationssaals wanderte den ich vor einer Dreiviertelstunde verlassen hatte. Ich hatte keine Ahnung, wie lange der Notfallkaiserschnitt dauern würde, aber es fühlte sich an wie Stunden, die ich hier draußen wartete und nicht wusste wie es Max und unserem kleinen Wunder ging. Nervös begann ich mit meinem Bein auf und ab zu wippen. "Max und euer kleines Mini-Me schaffen das. Die beiden sind Kämpfer.", war Marcus meine Nervosität, die ich in den letzten Minuten ganz gut unterdrücken konnte sofort aufgefallen, weshalb er es jetzt war der mich in den Arm zog. "Ich weiß... Es fühlt sich trotzdem gerade total blöd an, so machtlos daneben zu stehen. Nicht mal sehen zu können, ob wirklich alles gut ist bei den beiden.", blickte ich von der metallenen Tür wieder zurück zu dem Neuseeländer. Mein älterer Bruder war gerade unterwegs um uns drei etwas zu trinken zu besorgen. "Das glaube ich sofort und ich... ", unterbrach sich Marcus plötzlich selbst und hob wild wirkenden auf uns aufmerksam machend die Hand, weswegen ich mich umdrehte. Dort stand mit suchendem Blick die Krankenschwester, welche mich vorhin aus dem Vorbereitungsraum hinausgebeten hatte. "Herr Gasly...", setzte sie an, während sowohl Marcus als, auch ich sofort auf den Füßen waren und und mit wenigen Schritten neben ihr zum Stehen kamen. "Wie geht es Max und unserem kleinen Wunder? Ist der Kaiserschnitt gut verlaufen? Kann ich die beiden sehen?", brachen die Fragen nur so aus mir heraus, während ich angespannt an dem Armband an meinem Handgelenk spielte. "Die Operation verlief gut. Ich bin hier, um Sie auf das Zimmer Ihres Partner zu bringen. Meine Kollegen führen bei Ihrem Neugeborenen gerade noch die üblichen Routine Untersuchungen durch, dann wird das Kleine zu Ihnen gebracht.", erklärte sie mir den aktuellen Stand, als auch Cyril mit drei Wasserflaschen zu uns stieß. "Danke...", war ersteinmal alles, was ich tief durchatmend hervorbrachte. Spürte wie mir vor Erleichterung Tränen in die Augen stiegen. Spürte, wie einzelne Tränen über meine Wangen liefen. Ließ mich von meinem Bruder für einen Augenblick in die Arme gezogen wurde.      Mit geschlossenen Augen, einige Mal ganz bewusst ein- und ausatmend, gab ich mein bestes meine Emotionen wieder unter Kontrolle zu bekommen. "Sorry...", blickte ich danach zu der Krankenschwester, welche nur mit einem Lächeln  abwank und uns bat ihr zu folgen.

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