Álvaro: Das ich es verbockt hatte, stand komplett außer Frage und das ich es wieder in Ordnung bringen musste, war sowas von klar.
Ich hatte ihre persönliche Grenze überschritten, eine Grenze, die ich nicht kannte.
Zum ersten Mal machten sich meine letzen Jahre in Abwesenheit bemerkbar.
Das Gewissen, dass ich Adora eh in und auswendig kenne und über all ihre Merkmale Bescheid weiß, stellte sich als falsch heraus.
Ich kannte sie nicht mehr. Wie denn auch, wenn ich sie seit zehn Jahren nur aus der Ferne gesehen hatte.
Ernst genommen hatte ich sie nicht, als sie gesagt hatte, dass sie Angst vor Krankenhäusern hatte, ich habe es nicht ernst genommen, es eher in die Lächerlichkeit gezogen, denn welche Ärztin hatte schon Angst vor Krankenhäusern?
Anscheinend Adora.
Aber das schlimmste war nicht, dass ich es nicht wusste, sondern, dass ich ihr nicht geglaubt hatte.
Und wie es scheint ist das nicht nur eine kleine Angst gewesen, die ich nicht ernst genommen hatte, sondern eine ziemlich große, denn seitdem wir zurück nach Hause gefahren waren, hatte sie keine weitere Sekunde verschwendet, um aus meiner Nähe zu verschwinden und sich in ihren Zimmer zu verkriechen.
Seit unserem unglücklichen Ausflug, waren bereits fünf Stunden vergangen und immer noch machte sie keine Anstalten, ihr Zimmer zu verlassen.
Natürlich hatte ich mehrmals an ihrer Zimmer Tür geklopft und sie auch gefragt hatte, ob alles gut wäre, aber ohne Erfolg. Weder machte sie sich die Mühe mir zu antworten, noch die Tür zu öffnen, es blieb einfach still. Und sie hatte jedes Recht dazu, dies zu tun. An ihrer Stelle, würde ich auch kein Wort mit mir wechseln.
Aber da ich nicht an ihrer Stelle bin, sondern an meiner und es nicht ertragen kann, dass sie nicht mit mir spricht, habe ich einen Versuch gestartet, um sie aus dem Zimmer zu locken.
Ich hatte seit so langen Jahren nicht mehr richtig ihre Stimme gehört, geschweige denn mit ihr gesprochen, also hatte ich nicht vor, das so stehen zu lassen.
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Ihren fertig geschriebenen Brief schob ich unter die Tür Rille in ihr Zimmer und hoffte inständig, dass es sie aus ihrem Zimmer locken könnte.
Nur wenige Sekunden bleib ich noch vor ihrer Zimmer Tür stehen, bevor ich mir einen Weg durch die Blumen Blüten bannte, um ins Wohnzimmer zu gelangen, welches einem magischen Reich ähnelte, unter all diesen Blüten Blättern und Sträußen.
Ich ließ mich auf dem Sofa nieder, bedacht keine Blume zu zertreten und wartete einfach.
Ich habe zehn Jahre darauf gewartet, sie wieder bei mir zu haben, da werden ein paar Augenblicke auch nicht mehr weh tun.
Minuten vergingen und immer noch hörte ich absolut gar nichts im ganzen Haus, ob sie den Brief wohl ignorierte? Gut möglich.
Aber meine Angst löste sich auf, als ich das öffnen einer Tür wahrnahm und leichte Schritte, die immer näher kamen und schließlich das tapsen der Treppenstufen.
Ich schloss erleichtert meine Augen und dankte Mutter Natur, dass es etwas wie Blumen erstellt hatte.
Adora: Er hatte eine Grenze überschritten, die noch kein anderer überschritten hatte.
Bei dem Gedanken musste ich den Kopf über mich selber schütteln, wer hätte den auch? Ich hatte ja nicht mit sonderlich vielen Leuten zutun.
Vielleicht war ich auch deshalb so verwundbar an dieser Stelle, grade weil noch nie jemand diese Grenze gereizt hatte.
Natürlich war es nicht in Ordnung von ihm, mich nicht ernst zu nehmen, aber wenn ich ehrlich bin, hätte ich mich auch nicht ernst genommen. Eine Ärztin, die Angst vor Krankenhäusern hat, muss ja ein böser Scherz sein, nur leider war er nicht so lustig.
Das ich mich in meinem Zimmer daraufhin eingesperrt hatte, lag nicht an ihm, es lag schlichtweg an mir. Ich schämte mich und zwar in Grund und Boden.
Verzweifelt hatte er mehrmals vor meiner Tür gestanden, geklopft oder durch die geschlossene Tür gesprochen, aber ich konnte mich einfach noch nicht dazu aufrappeln, die Tür zu öffnen.
Ich war noch viel zu beschäftigt mit meinen eigenen Gedanken. Der Verlust von Evan wurde mir mit einem Mal wieder deutlich klarer und auch das ich noch nie so richtig mit seinem Tod abgeschlossen habe, sondern einfach weiter gelebt habe. Das selbe galt für Álvaro...
In meinem Herzen war er immer noch hier und ich gehöre immer noch zu ihm, obwohl es nie ein wirkliches uns gab...
Egal wie tief ich atmete, wie oft ich im Zimmer auf und ab ging, ich fand einfach kein Frieden mit dem Gedanken.
Also beschloss ich das zu tun, was ich auch sonst die ganze Zeit gemacht hatte, es einfach verdrängen und bloß nicht versuchen zu vergessen.
Und damit wurde es auch Zeit, mich unten wieder blicken zu lassen, grade nach dem Brief, den er unter dem Türspalt geschoben hatte, war ich mir dessen mehr als nur sicher.
Ich öffnete meine Tür und was sich vor mir ausbreitete ließ mich erschrocken aufatmen.
Der Boden war voll mit Blütenblättern bedeckt und als ich den Kopf hob, sah es noch schlimmer aus.
Alles war von Blumenblättern und Sträußen bedeckt. Man fühlt sich glatt wie in einem Märchenland.
Als ich mich durch die Blüten gekämpft hatte und am Treppengeländer ankam, verlief der ganze Anblick weiter. Unten war ebenfalls alles unter Blumen und mitten drin, wie ein Parasit, saß er. Komplett in schwarz gekleidet und komplett unpassend in diesem Bild.
In dem Moment, an dem ich die untere Etage betreten habe und in sein Blickfeld geriet, fixierten sich seine Augen direkt auf mich, auf denen ein erleichterter Schleier hing, auch seine eben noch verkrampften Züge entspannten sich und er begann zu reden.
"Redest du jetzt wieder mit mir, Blümchen?"
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