𝟏𝟒

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Álvaro:
Ich fühlte mich miserabel.

Noch nie hat sich meine Brust so eingeengt angefühlt, nicht mal da, als man mich als Jugendlicher lebendig begraben hatte.

Das bittere Gefühl von Verrat lag mir im Nacken und ließ mich einfach nicht los.

Ich hatte sie schon genug verraten und belogen.

Sie hatte mir von einem großen Schicksalsschlag aus ihrem Leben erzählt, von dem ich wieder nichts wusste und ich schaffte es immer noch nicht ihr die Wahrheit über mich zu erzählen.

Darüber wer ich bin und wer ich war.

Ich log ihr dreckig ins Gesicht und das würde sie mir eines Tages vorwerfen, aber zu guten Recht. Es war mir alles recht, wenn sie mich danach trotzdem mit den selben Augen ansieht, wie sie es damals auch getan hat.

Mit Vertrauen und einen Hauch von Liebe.

Der schönste Ausdruck, den ich je in Augen gesehen hatte und das würde bis zu meinem Tod für immer so bleiben.

Und ich hoffte ich würde nochmal diesen Ausdruck in ihren Augen sehen, bevor sie mich endgültig hasste.

Aber würde ich ihr jetzt die Wahrheit sagen und sie mich wieder kennenlernen, wäre ihr Bild von dem Álvaro, den sie kannte, vollkommen zerstört und ich war noch nicht bereit dazu, den Ausdruck in ihren Augen zu verlieren, wenn sie über mich sprach.

Wenn sie über ihn sprach.

Es versetzte mir immer noch ein Stich, dass ich in ihrer Welt längst tot war, dass ich als Jugendlicher gestorben bin, obwohl ich die letzen zehn Jahre nicht unter der Erde verbracht habe, sondern vollkommen lebendig, mit immer noch nur ihren Augen vor meinen, wenn ich sie schloss.

Sie lag mittlerweile in ihrem Bett nachdem sie so viele Tränen vergossen hatte, dass sie nur noch erschöpft einschlafen konnte und ich sie hochtragen musste.

Meinen Platz fand ich auf ihrer Bettkante, sie aus einer gewissen Entfernung anstarrend, so wie ich es die letzen Jahre auch getan hatte.

Ich hatte es schon immer gehasst sie weinen zu sehen und heute war es immer noch so.

Jegliche Faser in meinem Körper wollte, den der für ihre Tränen verantwortlich war, leiden lassen, aber der Grund für ihre Tränen, waren mein Bruder und ich.

Genauer gesagt, der tot von uns.

Ich hatte keine Ahnung das Evan in ihren Armen gestorben war, keine Ahnung, dass sie die letzen Jahre damit verbracht hatte, sich Evans letzen Sekunden immer und immer wieder vor Augen zu halten.

Ich wusste nicht das mein kleiner Bruder so gestorben war. Ich hatte verdammt noch mal keine Ahnung.

Ich hatte nicht nur als Liebhaber versagt, sondern auch als großer Bruder, denn ich hätte der jenige sein sollen, der Evan aus diesen Geschäften hätte retten müssen.

Aber daran bin ich gescheitert, bevor ich es überhaupt versucht habe.

Es dämmerte mir, wie viele wichtige Momente ich eigentlich verpasst hatte und wie viel mir für immer geraubt sein wird.

Und ich hatte keine Möglichkeit, sie mir zurückzuholen, denn sie haben mir alles genommen und das würde ich ihnen niemals verzeihen können.

Die Bitterkeit drohte mich fast aufzuschlingen, als ich wieder ins hier und jetzt kam.

Ein Blick auf die Fenster verriet mir, dass es schon später Abend war und ich schon eine Weile auf Adoras Bettkante verbracht hatte.

Nicht, dass ich nicht noch weiter hier sitzen konnte und sie anschauen könnte, aber bei ihrem Anblick, schmerzte es in meiner Brust.

Ich musste mich sammeln, bevor ich das nächste Mal in ihre Augen sah, sonst würde ich vor scham in ihren blauen Augen ertrinken und würde nie wieder herauskommen, weil ich gerne in ihren Augen ertrank.

Mein Blick wanderte zu meiner linken, wo sie friedlich schlief, ihre Tränen längst getrocknet, nicht so wie die Narben in mir, die immer noch bluteten und immer mehr aufgerissen wurden, umso mehr Zeit ich mit ihr verbrachte.

Aber sie war es Wert in meinem eigenen Blut zu schwimmen.

Sie war alles Wert.

Sie hatte während ihres Zusammenbruchs auch erzählt, dass sie sich nur so oft Blumen holte, um sich um sie zu kümmern, da diese sonst auch sterben würden, wie all die Menschen in ihrer Umgebung.

Wie Evan und ich.

Und ich dachte sie würde einfach nur gerne Blumen bei sich haben, weil sie so schön waren, aber der wahre Grund, ließ meinen hass auf die hierfür verantwortlichen nur noch mehr steigen.

Unsere Eltern hatten uns alles genommen.

Mir sogar das Leben.

Rückblende:
Meine Fingerspitzen kribbelten, denn pure Aufregung durchströmte meinen Körper.

Ich war so aufgeregt!

Es war das erste Mal, dass meine Eltern und die von Adora, mich auf diese Art und Weise sprechen wollten.

Das erste Mal, dass sie mich auch in die Geschäfte mit Aufnahmen, sonst hatten sie immer meinen jüngeren Bruder Evan für sowas ausgewählt, denn er war nicht so wie ich, sagten sie immer.

Endlich setzen sie sich auch hin und die Stimmung im Raum schien zu sinken, als ich in ihre ernsten Gesichter blickte.

Heute waren sogar unsere Mütter dabei, was ungewöhnlich war, denn die beiden hielten sich für gewöhnlich freiwillig aus den Geschäften raus.

Meine Mutter schaute mich an und ein Funken Wehmut trat in ihr Gesicht, als sie mich musterte.

Was war los mit ihr?

Jedoch wurde meine Aufmerksamkeit schnell von ihr gelenkt, als mein Vater zu sprechen begann und damit meine persönliche Hölle begann. Wortwörtlich.

"Das was wir heute besprechen, darf diesen Raum nicht verlassen, das ist von großer Wichtigkeit, Álvaro", fing mein Vater ernst an.

Ich nicke, denn das war mir klar.

"Wir wollen dich aktiv in die Geschäfte einbinden", machte mein Vater weiter und das Gefühl von Aufregung durchströmte meinen Körper.

Endlich trete ich als älterer Bruder auch mal in Aktion und werde nicht vergessen, wie sonst auch.

Er nickte zufrieden, als ich ihm wieder ein nicken schenkte.

"Du musst nur eine Sache dafür tun."

Warum sollte ich eine Sache dafür tun? Und vorallem was?

"Die wäre?", hackte ich nun zum ersten Mal nach.

"Du musst sterben."

Rückblende Ende:

Sie hatten mir immer gesagt ich handle zu viel mit dem Herzen, also haben sie mein Herz getötet.

Und mich auch.

Und mich auch

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